Weit über ein Drittel der Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) leidet an krankheitsassoziierten Symptomen, die sich außerhalb des Gastrointestinaltrakts manifestieren.1, 2 Diese können durchaus belastender und herausfordernder als das eigentliche Grundleiden sein und die Lebensqualität der Betroffenen massiv beeinträchtigen. Aufgrund der vielfältigen und in nahezu jedem Organ möglichen Morbiditäten werden Colitis ulcersosa und Morbus Crohn daher auch als Systemerkrankungen angesehen, die diagnostisch und therapeutisch häufig einen interdisziplinären Zugang erfordern.
Da sich in etwa einem Viertel der Fälle extraintestinale Manifestationen (EIM) bereits vor Auftreten einer Darmsymptomatik präsentieren,3 sind es häufig aufmerksame Fachärzte verschiedener Disziplinen, die den Erstverdacht einer CED äußern.
Extraintestinale Manifestationen können unter anderem das muskuloskelettale, das okulare, das dermatologische, das hepatopankreatobiliare, das renale und das pulmonale System betreffen, wobei die Entwicklung einer EIM das Auftreten weiterer solcher Manifestationen offenbar begünstigt.4 Bei rund 25% der CED-Patienten mit extraintestinaler Manifestationen finden sich entsprechend gleich mehrere pathologisch veränderte Körperbereiche außerhalb des Darmes.5
Die häufigsten CED-assoziierten Erkrankungen sind axiale und periphere Arthropathien wie Arthritiden, Arthralgien, Sakriliitis oder ankylosierende Spondylitis, gefolgt von diversen Haut- und Schleimhautläsionen wie Pyoderma gangraenosum, Erythema nodosum, Sweet-Syndrom oder orale Aphten. In weiter abnehmender Reihenfolge finden sich Augenbeteiligungen wie Uveitis oder Episkleritis sowie Hepatopathien – hier vor allem die primär sklerosierende Cholangitis (PSC), die Fettleber oder die Autoimmunhepatitis. Etwas seltener zeigen sich Pankreasfunktionsstörungen, (peri-)kardiale Entzündungen, Pleuritis oder Nephrolithiasis. Die Angaben zu den Prävalenzen sind nicht ganz einheitlich, bewegen sich aber im knapp einstelligen bis niedrig zweistelligen Prozentbereich, wobei die Gelenkbeteiligungen mit rund 20-40% mit Abstand führend sind. 5, 6, 18, 21
Viele der Manifestationen – z. B. Erythema nodosum, Episkleritis, ulzeröse Aphten oder periphere Arthritis – korrelieren mit der Aktivität der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und verbessern sich demzufolge auch bei erfolgreicher Behandlung der CED. Andere, speziell die ankylosierende Spondylitis und die Uveitis zeigen sich vom Verlauf der Ursprungskrankheit gänzlich unabhängig.9, 10 Bei Dysfunktionen des Dünndarms kommt es vermehrt zu Cholelithiasis, Nephrolithiasis oder obstruktive Uropathie.13
EIM kommen bei Morbus Crohn generell etwas häufiger vor als bei Colitis ulcerosa11, 12 – insbesondere bei Rauchern, Kolonbeteiligung sowie bei perianalem Befund.13 Auch eine längere Dauer der Grunderkrankung birgt hier ein höheres Risiko für extraintestinale Beschwerden.11 Bei Patienten mit Colitis ulcerosa sieht man indessen ophtalmologische Krankheitsbilder überdurchschnittlich oft.8 Einige Erkrankungen wie Iritis oder Uveitis werden öfter bei Frauen mit CED beobachtet, andere, wie PSC oder ankylosisiende Spondylitis hingegen primär bei Männern.14
Abzugrenzen sind die extraintestinalen Manifestationen von den extraintestinalen Komplikationen. Diese werden durch die CED selbst oder ihre Behandlung hervorgerufen und schließen beispielsweise Malabsorption mit nachfolgendem Defizit an Mikronährstoffen, Eisenmangelanämie, periphere Neuropathien, Nierensteine oder Osteoporose mit größerem Frakturrisiko ein. Darüber hinaus haben insbesondere Colitis ulcerosa-Patienten ein erhöhtes Risiko für Malignome sowie venöse thromboembolische Ereignisse. 8, 15, 16
Im Gegensatz zu den kausal oft gut nachvollziehbaren Folgeerkrankungen ist die Pathogenese der meisten extraintestinalen Manifestationen noch weitgehend ungeklärt.13, 18
In die Kategorie der assoziierten Autoimmunerkrankungen wird unter anderem der Diabetes mellitus Typ 1, bei gleichzeitigem Vorliegen mit einer CED, zugeordnet. Eine immer wieder diskutierte direkte Korrelation dieser beiden Erkrankungen konnte auch in großen Studien nicht nachgewiesen werden.17 Anderseits kann aber eine lange und hochdosierte Kortisonbehandlung einen Diabetes mellitus triggern oder verschlechtern.
Während manche kausalen Krankheitsfolgen beispielsweise durch Vitamin-Substitutionen einfach behandelt werden können, ist die Therapie der meisten klassischen EIM oft deutlich komplexer. Je nach Manifestation werden unter anderem topische oder systemische Steroide, intestinale Entzündungshemmer, Immunsuppressiva oder Zytostatika verwendet.18
Die ECCO (European Crohn's and Colitis Organisation) empfiehlt bei Patienten mit CED, welche von einer Begleiterkrankung betroffen sind, eine Anti-TNF-Therapie einzusetzen.19 Mit Ausnahme von PSC sind die hier indizierten Biologika vom Typ Tumornekrosefaktor-Inhibitor – Infliximab oder (teilweise) auch Adalimumab – hocheffektiv bei extraintestinalen Manifestationen von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.13 Die systemische Ausprägung mit EIM identifiziert letztlich die schwerwiegenderen CED-Formen und schon deshalb sollte hier frühzeitig, zielorientiert und konsequent therapiert werden.13
Zu beachten ist hier, dass die genannten Therapien selbst wiederum extraintestinale Nebenwirkungen wie beispielsweise Psoriasis induzieren können Diese sind zwar in der Regel gut behandelbar und reversibel, müssen vom behandelndem Arzt aber klar von ätiologisch anders begründeten Krankheitszeichen unterschieden werden.20
Die fachübergreifende Kenntnis von extraintestinalen Manifestation von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist essenziell für die Betroffenen – inklusive der noch nicht diagnostizierten. Sorgfältiges Screening, Konsultation von Spezialisten sowie rechtzeitige adäquate Behandlung können hier schwere Morbidität verhindern. Oftmals reicht auch die konsequente Therapie der Darmerkrankung, um extraintestinale Symptome zu lindern.
Auch typische Exazerbationen, die – wie im Fall von Uveitis, Cholangitis oder Thromboembolie – potentiell das Leben oder das Augenlicht kosten können und somit einer umgehenden notfallmäßigen Versorgung bedürfen, sollten allen Beteiligten präsent sein.21 Insbesondere den chronisch Erkrankten selbst – zeigte doch eine interessante, im Oxford academic/ Journal of Crohn's and Colitis publizierte Untersuchung, dass CED-Patienten oft über eine selektive Sensibilität verfügten, die disproportional zur tatsächlichen Inzidenz steht: So hatten die meisten eine hohe Bewusstheit bezüglich des Krebsrisikos – gleichzeitig aber sehr wenig Wissen über akut lebensbedrohliche Gefahren wie beispielsweise Thromboembolien.7
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