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Gut fürs Herz: Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kardiologie und Sportwissenschaften

Zum "Tag des herzkranken Kindes" am 5. Mai stellten Prof. Renate Oberhoffer-Fritz (TUM) und Prof. Peter Ewert (DHM) ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Kinderkardiologie und den Sport- und Gesundheitswissenschaften vor.

Im Gespräch mit Prof. Oberhoffer-Fritz und Prof. Peter Ewert

Seit vielen Jahren kooperieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) am Deutschen Herzzentrum München und an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften. Zum "Tag des herzkranken Kindes" am 5. Mai stellten Prof. Renate Oberhoffer-Fritz, Dekanin der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften und Inhaberin des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie sowie Prof. Peter Ewert, stellvertretender Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums München und Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie diese fruchtbare interdisziplinäre Zusammenarbeit vor.

Wie viele herzkranke Kinder behandeln Sie aktuell?

Prof. Ewert: "Man schätzt, dass in Deutschland jedes Jahr 6.000 Kinder mit angeborenen Herzfehlern auf die Welt kommen. Wir am Herzzentrum führen pro Jahr ungefähr 500 Herzoperationen und 800 Katheter-Untersuchungen durch. Von den schwersten Herzfehlern, den sogenannten univentrikulären Herzen, wenn jemand nur ein halbes Herz hat, werden in Deutschland nur 200 Kinder pro Jahr geboren. Aber gerade diese Kinder haben über die Dauer ihres gesamten Lebens einen sehr hohen Bedarf sowohl im Bereich der medizinischen Versorgung als auch der allgemeinen Förderung."

Wie ist die Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie und dem Deutschen Herzzentrum München entstanden?

Prof. Oberhoffer-Fritz: "Ich bin von Haus aus Kinderkardiologin und bin 2007 vom Deutschen Herzzentrum München an die Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften gewechselt, mit dem Gedanken, die erworbenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen so früh wie möglich zu verhindern und die Anbindung an das Deutsche Herzzentrum München zu bewahren. Das Herz-Kreislauf-System und die Sportwissenschaften sind sehr eng miteinander verbunden, im Sinne von kardiovaskulärer Leistungsfähigkeit, also der wichtigen Frage der Bewegung."

Prof. Ewert: "Und die Kooperation hat zwei Aspekte. Zum einen müssen herzkranke Kinder auch in ihrer Motorik gefördert werden. Die beiden Fakultäten wollen herausfinden, wie körperlich belastbar diese Kinder sind und wie man sie unterstützen kann. Der zweite Aspekt ist der, dass die gesunden Kinder von heute die Herzkranken von morgen sind. Daher beschäftigen wir uns unter anderem mit der Frage: Wie kann man eine Prävention im Kindesalter etablieren, damit in einer immer älter werdenden Bevölkerung insgesamt weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Grundsteine zu den Fragen der gesunden Ernährung und einer besseren Bewegung werden im Kindesalter gelegt."

Was zeichnet die Kooperation zwischen der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften und dem Deutschen Herzzentrum München insbesondere aus?

Prof. Ewert: "Die Verbindung aus Sportwissenschaften und Kinderherzmedizin ist in dieser Form einzigartig in Deutschland, vielleicht sogar in Europa und kann auf eine langjährige Erfolgsgeschichte zurückgreifen. Im Laufe der Jahre wurden im Rahmen der Kooperation rund 2.000 Untersuchungen an etwa 1.000 Kindern mit angeborenen Herzfehlern durchgeführt. Daraus sind etwa 70 wissenschaftliche Publikationen entstanden. Das, was die Sportwissenschaft am Herzzentrum macht, können wir als Kinderkardiologen nicht tun. Und die Patienten, die wir am Herzzentrum behandeln, sind für die Sportwissenschaft sonst kaum zugänglich."

Was ist die Zielsetzung der gemeinsamen Zusammenarbeit?

Prof. Oberhoffer-Fritz: "Schwerpunkte der Kooperation sind die Verbesserung der Gesundheit bereits herzerkrankter Kinder und die Förderung ihres täglichen Lebens durch Bewegungskonzepte sowie die Verhinderung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei kranken Kindern."

Welche Projekte werden im Rahmen der Kooperation durchgeführt?

Prof. Ewert: "Wir untersuchen zum Beispiel, wie leistungsfähig Kinder mit angeborenen Herzfehlern sind. Exemplarisch dafür möchte ich einen männlichen Patienten nennen, der nur ein 'halbes Herz' hat und mit seinem Vater zu Fuß auf die Zugspitze gewandert ist. Er lebt mit einem Hypoplastischen Linksherz, dem schwersten Herzfehler, den es gibt, und schafft es trotzdem, den höchsten Berg Deutschlands zu besteigen. Beeindruckend!"

Prof. Oberhoffer-Fritz: "Wir erheben nicht nur Daten, sondern versuchen zum Beispiel durch Atemtraining die Herz-Kreislauf- und Lungenfunktion zu verbessern. Zusätzlich bieten wir Bewegungstraining an, wie im innovativen Projekt 'Digital Health Nudging' zu webbasiertem Training. Dabei soll die Interventionsgruppe mit Patienten mit angeborenem Herzfehler anhand von digitalen Text- oder Bildnachrichten auf dem Smartphone über drei Monate zu körperlicher Aktivität angeregt werden. Ein weiteres Beispiel ist 'Skipping Hearts', ein noch laufendes Projekt der Deutschen Herzstiftung, die auch unsere beiden Fakultäten unterstützt. Dabei werden Grundschüler durch moderne Methoden zum Seilspringen motiviert, was den Kreislauf anregt und auch gut für die Koordination und gegen Osteoporose ist. Die TUM hat dabei die wissenschaftliche Auswertung dieses bundesweiten Projekts durchgeführt.“

Welche Rolle spielt die Interdisziplinarität in Ihrer Kooperation?

Prof. Ewert: "Wir sind ein geniales Beispiel für Interdisziplinarität! Für mich als Mediziner im Herzzentrum ist es ein echtes Geschenk, dass wir die Sportwissenschaftler haben, weil sie Dinge können, die wir als Mediziner nicht vermögen. In der Dualität von Krankenversorgung und Forschung beschäftigen wir uns im Wesentlichen mit den Krankheiten, aber nicht mit dem, mit dem sich die Sportwissenschaft beschäftigt. Wenn man also ein 'Role Model' für Interdisziplinarität braucht: hier ist ein exzellentes."

Prof. Oberhoffer-Fritz: "Letzten Endes haben wir durch unsere Interdisziplinarität auch die Fachgesellschaften belebt, denn diese Themen waren vorher nicht vertreten. Seit vielen Jahren haben die Themen Bewegung und Sport und ihre Bedeutung für die Herzgesundheit in der deutschen und europäischen Fachgesellschaft der Kardiologie ihr Relevanz."

Bereits im Jahr 2007 wurde "kidsTUMove" gegründet, ein Modellprojekt für Kinder und Jugendliche, insbesondere auch solche mit chronischen Erkrankungen wie Übergewicht, Bluthochdruck, kardiologischen oder onkologischen Erkrankungen. Welche Bedeutung hat das Projekt für Ihre Patienten?

Prof. Oberhoffer-Fritz: "kidsTUMove ist ein Beispiel dafür, wie wir es an der Universität schaffen, Wissen in die Gesellschaft zu transportieren. Denn wir können dieses Wissen an die Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien vermitteln. Diese Translation in die Gesellschaft war uns immer sehr wichtig. Mittlerweile sind wir mit dem Projekt auch an den TUM Familienservice angebunden, um noch mehr Kinder für Sport- und Bewegungsangebote sowie gesunde Ernährung zu begeistern. An unserem virtuellen Ostercamp im Frühjahr haben über 300 Kinder teilgenommen. Das dokumentiert eindrucksvoll die gesellschaftliche Bedeutung solcher Aktivitäten."