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Grenzen der Medizin: 128. Kongress der DGIM

"In den letzten zwei Jahren der COVID-Pandemie haben wir unsere Grenzen extrem schmerzhaft, deutlich und eindeutig aufgezeigt bekommen", erklärt Professor Dr. Markus Lerch.

Grenzen der Medizin: Leitthema des 128. Internistenkongresses

"In den letzten zwei Jahren der COVID-Pandemie haben wir unsere Grenzen extrem schmerzhaft, deutlich und eindeutig aufgezeigt bekommen." Mit dieser Aussage erklärt Professor Dr. Markus Lerch, Leiter des LMU-Klinikums in München und Vorsitzender der DGIM, den Titel des 128. Internistenkongresses der DGIM. Er findet von Samstag 30.04.2022 bis Dienstag 03.05.2022 in Wiesbaden statt - vor Ort und digital. Und eben die Digitalisierung sei eine der Grenzen, die aktuell auf dem Kongress diskutiert werden, so Lerch: "Da liegen wir im internationalen Ranking hinter der Türkei, was den Grad der Digitalisierung von Krankenhäusern betrifft."

Hackerangriff auf Uniklinik macht Bedarf deutlich

Der Hackerangriff auf die Universitätsklinik in Düsseldorf habe die Verwundbarkeit des Systems gezeigt, aber auch einen Innovationsschub in Nordrhein-Westfalen gebracht, erläuterte Markus Lerch. Und er stellte die Forderung: "Wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen, denn anders als im Hochschulbau oder Krankenhausbau investiert man nicht einmal, und dann hat man 20 Jahre Ruhe, sondern es ist eine kontinuierliche, jährliche Investition in Personal, was schwer zu finden ist."

Acht Veranstaltungen zum Themenfeld zeigen, wie sehr es der DGIM und ihrem Präsidenten darauf ankommt, hier zu greifbaren Ergebnissen zu gelangen. Die seien allerdings teilweise auch durch Widerstände in den eigenen Reihen verhindert worden, so im Falle der Elektronischen Patientenakte. Lerch äußerte zugleich Verständnis: Die Ärzteschaft sei meist nicht in die Planung einbezogen, Krankenhausinformationssysteme würden von Informatikern, Juristen, Abrechnungsstellen designt, nicht von Ärzten für Ärzte. Dies aber sei bedauerlich, denn die Patientensicherheit wachse massiv mit dem Grad der Digitalisierung.

Der DGIM-Präsident legte den Kongressteilnehmenden daher besonders die Eröffnungssitzung am Sonntag ans Herz zu Fragen von Digitalisierung, Kosten und Klimakrise. Titel: Was darf Medizin kosten und warum ist sie so teuer?

Schwerpunktthema End of Life

Was den Kongress betrifft, hat die Pandemie neue Möglichkeiten erzwungen: In 13 unterschiedlichen Sälen finden Veranstaltungen zeitgleich statt, alle vor Ort und live übertragen, dabei aufgezeichnet und ein Jahr lang im Netz verfügbar. 

Ein Schwerpunkt wird "End of Life" sein: "Auch durch die Corona-Pandemie, aber zugleich durch die in Deutschland sehr unglücklich verlaufene Diskussion über die Organspende setzen wir uns mit Grenzen am Lebensende auseinander", sagt Markus Lerch. "Wie sehr berücksichtigen wir die Wünsche unserer Patienten nach Lebensqualität, wie hoch werten wir Lebensverlängerung um jeden Preis?"

Es sei, so der DGIM-Präsident, gar nicht so einfach gewesen, für dieses Thema die passenden Referenten zu gewinnen. Denn mit vielen Fragen würden sich selbst erfahrene Ärzte nur ungern auseinandersetzen, weil sie so heikel sind: Was ist die Grenze zwischen ärztlich begleitetem Suizid und Tötung auf Verlangen? Wann stellt man Therapie ein? Was kostet Therapie am Lebensende?

Was überlebt - und wer überlebt?

Wie man mit Mut und Kreativität Kongressteilnehmende auch an große Aufgaben heranführen kann, zeigt Markus Ferrari, Kardiologe, Intensivmediziner und Chefarzt in Wiesbaden: "Das Thema Herz und Musik hängt zusammen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es nicht erst seit dem 20. Jahrhundert." Er nennt Richard Wagner und Gustav Mahler als prominente Beispiele. Um so die nötige Aufmerksamkeit zu gewinnen für ein Thema, das die kleine Frau von der Straße betrifft: "Herzschwäche ist häufigster Aufnahmegrund in Notaufnahmen."

Eben weil dies so ist, hat Markus Ferrari die Herzschwäche als sein Thema des Patiententages gewählt und allen Bürgerinnen und Bürgern dafür eine große Bühne bereitet: Im Stadtverordnetensaal von Wiesbaden, wo sonst der Magistrat wichtige politische Entscheidungen fällt. Dort wird er über das sprechen, was die angloamerikanischen Kollegen die "Chain of Survival" nennen.

Chain of Survival

"Jeder Mensch kann zum Lebensretter werden", betont der Intensivmediziner Ferrari. "Wir wissen aus den skandinavischen Ländern, dass ein besseres Training der Bevölkerung in Herz-Lungen-Maßnahmen und Wiederbelebung zahlreiche Menschenleben retten kann. Die 18jährigen Führerschein-Kandidaten sind am besten in erster Hilfe ausgebildet, am häufigsten sind es aber die 70- bis 80jährigen Ehepartner, die in dieser Situation vor Ort sind. Wenn man in diese Situation kommt, dass ein nahestehender Mensch plötzlich einen Herzinfarkt hat, womöglich gar bewusstlos wird, dann sollte man sofort die 112 rufen und mit einer Herzdruckmassage anfangen. Die zehn Minuten, bis die Sanitäter vor Ort sind, kann man auch als Laie überbrücken und Herz und Hirn retten."

Der Titel seines Vortrages: "Wiesbaden lernt erste Hilfe" ist übertragbar: Jede Stadt, jedes Dorf sollte Erste Hilfe lernen. Aber damit das Wissen aktiv und anwendbar bleibt, braucht es die Ärzte vor Ort: Sie sehen ihre Patienten regelmäßig und können daran erinnern, dass die Herzdruckmassage in der Notsituation nur anwendbar ist, wenn man die Handgriffe regelmäßig übt. Und ein Arzt als Meister von Entscheidungen an der Grenze des Lebens weiß auch um den Widerspruch: Dass er seine Patientin oder den Patienten anhält, etwas zu üben, was sie oder er hoffentlich nie anwenden muss.

Auf der DGIM-Kongessseite finden Sie die Highlights. Am 30. April 2022 berichtet esanum mit dem DGIM Kongress-TV tagesaktuell über den diesjährigen 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.