Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Forschungszentrums Borstel hat ein neues Verfahren auf Basis der Genomsequenzierung entwickelt, um Tuberkuloseerreger eindeutig und weltweit einheitlich zu identifizieren. Die Ergebnisse dieser Studie sind kürzlich im Journal EBioMedicine erschienen und könnten in Zukunft entscheidend dazu beitragen, Ausbrüche schneller und effektiver zu bekämpfen.
Tuberkulose wird von Bakterien aus dem Mycobacterium tuberculosis Komplex ausgelöst und ist eine der tödlichsten Infektionskrankheiten des Menschen. Die Behandlung ist kompliziert und langwierig, und selbst nach einer Heilung bleiben oft schwere Organschäden zurück. Darüber hinaus ist die Tuberkulose insbesondere in Entwicklungsländern ein bedeutendes Armutsrisiko und ein Krankheitsfall kann den Lebensunterhalt ganzer Familien zerstören. In den letzten Jahren haben mehrere globale Studien zudem die zunehmende Ausbreitung von resistenten Stämmen aufgezeigt, die gegen die wichtigsten in der Behandlung eingesetzten Antibiotika unempfindlich sind.
Durch moderne Methoden ist es möglich, auf Basis des Bakteriengenoms einen eindeutigen genetischen Fingerabdruck eines bestimmten Erregers zu erstellen. Diese Identifizierung einzelner Erregerstämme ist für die Gesundheitsbehörden ein unerlässliches Hilfsmittel. Nur so können Übertragungen der Krankheit analysiert und Ausbrüche früh genug erkannt werden, um rechtzeitig effektive Gegenmaßnahmen zu treffen. Dies ist besonders wichtig zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung gefährlicher resistenter Erreger.
Die genauesten Verfahren benutzen hierbei nahezu das gesamte Erbgut der Erreger zur Erstellung des eindeutigen Fingerabdruckes. Allerdings war es bisher nahezu unmöglich, diese Methoden weltweit zu vereinheitlichen und die Ergebnisse zwischen Gesundheitsbehörden standardisiert auszutauschen. Deswegen arbeiteten Wissenschaftler aus Deutschland und England unter Leitung von Prof. Stefan Niemann vom Forschungszentrum Borstel und aus dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) zusammen mit der auf BioInformatik spezialisierten Firma Ridom aus Münster an einem neuen Verfahren zur Identifizierung der Tuberkuloseerreger.
Die vorgeschlagene Methode basiert auf früheren Ergebnissen der beteiligten Gruppen und übersetzt die Unterschiede im Genom der Erreger in eine Liste von 2981 Nummern, die einen Erregerstamm eindeutig identifizieren. Ein Vergleich der jeweiligen Identifikationsnummern gibt zudem eine direkte Auskunft über die Verwandtschaft zweier Bakterienstämme. Die Forscher demonstrieren in ihrer Arbeit, dass das Verfahren für alle Erreger der menschlichen Tuberkulose funktioniert und in der Lage ist, Übertragungen und Ausbrüche der Krankheit zu erkennen.
"Die Analyse des Erbgutes der Tuberkuloseerreger hat Wissenschaftler auf der ganzen Welt essenzielle Einblicke und ein neues Verständnis der Ausbreitung dieser gefährlichen Krankheit ermöglicht. Mit der von uns vorgeschlagenen Methode zur standardisierten Erstellung eines genomischen Fingerabdruckes kann diese Information nun direkt von Gesundheitsbehörden eingesetzt werden, um die Tuberkulose-übertragung weltweit gezielt zu bekämpfen", sagt der Letztautor der Studie, Professor Stefan Niemann.
Durch die gesunkenen Kosten zur Bestimmung des Erbgutes bakterieller Erreger und den zunehmenden Einsatz der dafür nötigen Technik in Laboren auf der ganzen Welt, wird der genetische Fingerabdruck aus dem Erbgut in den kommenden Jahren vermutlich für immer mehr Erreger zum Standard werden.
"Ein wichtiger Vorteil der von uns vorgeschlagenen Methode liegt darin, wie sie die Kommunikation zwischen Gesundheitsbehörden auf lokaler und internationaler Ebene vereinfacht. Sobald ein multiresistenter Erregerstamm identifiziert ist, kann dessen eindeutiger Fingerabdruck sogar per E-Mail versendet werden", sagt der Erstautor der Studie Dr. Thomas Kohl. Die Forscher arbeitet zurzeit mit Partnern und Institutionen aus Europa und der ganzen Welt weiter daran, den Nutzen der Methodik für die Überwachung der Tuberkuloseausbreitung zu evaluieren. Hierbei geht es auch darum, wie die Methodik möglichst gut in der praktischen Anwendung implementiert werden kann.
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