Abgeordnete der Koalitionsfraktionen, Union und Linke haben einen Gesetzentwurf zum regulierten assistierten Suizid vorgelegt. Die Bundesregierung soll ein Konzept erarbeiten für eine wirksame Suizidprävention auf einer gesetzlichen Basis.
Mit dem aufsehenerregenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 zum Recht auf Selbsttötung und der daraus folgenden Aufhebung des Verbots der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" in Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs ist in Deutschland eine Regelungslücke entstanden, die nun mit einer weiteren, fraktionsübergreifenden Gesetzesinitiative zur Sterbehilfe geschlossen werden soll. Unter engen Voraussetzungen wird damit Assistenz beim Suizid oder geeignete Information darüber rechtlich möglich und straffrei. Eine herausragende Rolle dabei spielen Ärzte und Psychotherapeuten.
Die federführenden Abgeordneten, Ansgar Heveling (CDU/CSU), Professor Lars Castelucci (SPD), Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Kathrin Vogler (Linke), sehen allerdings das Risiko, dass verfügbare Suizidassistenz dazu führen kann, dass die Zahl der Selbsttötungen steigt. Dies sei in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz zu beobachten gewesen. Daher ist die Gesetzesinitiative zur Neuregelung der Sterbehilfe mit der Aufforderung an die Bundesregierung verknüpft, die Suizidprävention maßgeblich und nachhaltig zu stärken und auszubauen.
Wesentliche Änderungen werden im Strafgesetzbuch vorgenommen: Grundsätzlich bleibt in Deutschland danach die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" strafbar (Paragraf 217 Absatz 1).
Der zweite Absatz regelt bei Sterbehilfe die Ausnahmen von der Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit. Die gilt dann, wenn:
Nur in Ausnahmefällen, etwa bei schnell voranschreitenden tödlichen Krankheiten, kann von den Fristen und der Zahl der Untersuchungen abgewichen werden.
Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung soll grundsätzlich strafbewehrt sein (Paragraf 217a Absatz 1). Das gilt jedoch nicht, wenn Ärzte oder beratende Stellen darüber unterrichtet werden, welche Personen oder welche Einrichtungen bereit sind, Hilfe zur Selbsttötung unter den Voraussetzungen von Paragraf 217 Absatz 2 zu leisten. Informationen in medizinischen und pharmazeutischen Fachpublikationen sind erlaubt, auch über Mittel, die zum Suizid benötigt werden.
Mit einer Änderung des Betäubungsmittelrechts (Paragraf 13 Absatz 1) wird die Anwendung von Betäubungsmitteln legalisiert, wenn die Voraussetzungen von Paragraf 217 Absatz 2 erfüllt sind. Das heißt, dass Ärzte Betäubungsmittel zum Zweck des (assistierten) Suizids verschreiben dürfen.
Auch dies folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist es mit der Autonomie und Menschenwürde nicht vereinbar, wenn der Staat einen selbstbestimmten Suizid dadurch verunmöglicht, indem er betroffenen Menschen die Mittel dazu vorenthält.
Dies allerdings war unter den Ministern Jens Spahn und Hermann Gröhe (beide CDU) der Fall. Beide Minister hatten das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) angewiesen, entgegen einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts rechtlich mögliche Anträge von suizidwilligen Menschen auf Zurverfügungstellung von Betäubungsmitteln in jedem Fall abzuweisen. Diese Weisung hatte das BfArM stets befolgt.
Diesen Gesetzentwurf haben die Abgeordneten mit einem Antrag verknüpft, mit dem die Bundesregierung beauftragt wird, die Suizidprävention zu stärken. Insbesondere soll dabei adressiert werden:
Zu dem heiklen Problemkreis der Sterbehilfe liegen bereits zwei Gesetzesinitiativen vor. Nach den Vorstellungen der Abgeordneten soll nun ein breiter parlamentarischer und gesellschaftlicher Diskurs folgen. Da letztlich ethische Grundfragen berührt sind, werden die Abgeordneten am Ende des Gesetzgebungsverfahrens ohne Fraktionszwang eine Entscheidung nach ihrem Gewissen treffen.