52 Prozent der Patientinnen, die eine Methadon-Substitution erhielten waren durch verschriebene Schmerzmedikamente in die Sucht gerutscht. Unter den männlichen Patienten teilten dieses Schicksal nur 38 Prozent. Monica Bawor und ihre Kollegen von der McMaster University in Ontario (Kanada) haben für ihre Studie 503 Männer und Frauen, die unter Opiatabhängigkeit litten aus 13 Methadon-Kliniken untersucht. Im Rahmen der Untersuchungen werteten sie unter anderem Fragebögen aus und nahmen Urinproben.
Es wird schon länger untersucht, ob und wie sich die Sucht der Frau von der Sucht des Mannes unterscheidet. Unter anderem wurde für alkoholabhängige Frauen gezeigt, dass der zeitliche Abstand zwischen der manifesten Sucht und dem Erstkontakt zur Droge deutlich geringer ist als bei Männern. Dieser Umstand wird auch als Teleskopeffekt bezeichnet. Frauen scheinen weiterhin im Rahmen einer Sucht eher mit psychischen Problemen zu kämpfen zu haben, während Männer wahrscheinlicher in die Kriminalität abrutschen als Frauen.
Die neue Studie von Monica Bower und ihren Kollegen, welche in Biology of Sex Differences veröffentlicht wurde, stellt noch mehr Unterschiede heraus: Frauen hatten eher physische Probleme und psychische Auffälligkeiten in der Familiengeschichte. Zudem trugen sie eher die Verantwortung für die Kinderbetreuung. Männer wiederum waren eher in einen Beruf eingebunden, rauchten mehr und konsumierten mehr Cannabis. Insgesamt berichteten 47 Prozent der männlichen und weiblichen Teilnehmer, dass sie in dem Monat vor Studienbeginn Cannabis konsumiert hätten.
Die Problematik hat deshalb eine besondere Aktualität, weil in Kanada die Zahl der Patienten, die durch verschriebene Schmerzmedikamente in die Abhängigkeit gerutscht sind in den letzten Jahren um 30 Prozent gestiegen ist. Viele dieser Patienten litten unter chronischen Schmerzen. Kanada liegt weltweit weit vorn, was den Opioid-Konsum betrifft. Das Durchschnittsalter der Abhängigen lag 1990 noch bei 25 Jahren und ist mittlerweile auf 38 Jahre gestiegen.
Hierzulande sind ca. 180000 Menschen abhängig von Opiaten, das entspricht einer Prävalenz von 0,3 bis 1 Prozent. Das Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren.
Monica Bawor merkt an, dass die heutigen Behandlungsprotokolle nicht auf die neuen Gegebenheiten abgestimmt sind: “Eine immer größere Zahl von Frauen sucht Hilfe wegen Opiatabhängigkeit, nicht nur in Kanada, sondern auch im Rest der Welt. Die Behandlung ist meist aber auf ein ganz anderes Patientenprofil ausgerichtet: da steht immer noch der junge, männliche Patient im Vordergrund, der Heroin injiziert, keiner geregelten Tätigkeit nachgeht und auch keine Familie hat”.
Studien zur Methadon-Substitution haben sich, so Bower, zu sehr auf die männlichen Patienten konzentriert. In Zukunft müssten mehr Frauen eingeschlossen werden. Behandlungspläne wären individueller an das jeweilige Patientenklientel anzupassen.
Text: esanum /kme
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