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Gericht will keinen Prozess gegen Kusch wegen Sterbehilfe

Die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland seit kurzem strafbar. Rückwirkend darf das Gesetz aber nicht angewendet werden. Das Hamburger Landgericht will darum keinen Prozess

Die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland seit kurzem strafbar. Rückwirkend darf das Gesetz aber nicht angewendet werden. Das Hamburger Landgericht will darum keinen Prozess gegen den Chef des Vereins Sterbehilfe Deutschland und einen Arzt eröffnen.

Im Zusammenhang mit der Sterbehilfe für zwei über 80-jährige Frauen müssen sich der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch und ein Mediziner vorerst nicht vor Gericht verantworten. Eine Anklage wegen gemeinschaftlichen Totschlags wurde vom Landgericht Hamburg nicht zugelassen, wie eine Gerichtssprecherin am Dienstag mitteilte. Die praktizierte Sterbehilfe sei nach der zum Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage nicht strafbar gewesen, hieß es in dem Beschluss der Strafkammer vom 11. Dezember. Die geschäftsmäßige Sterbehilfe ist in Deutschland erst seit dem 3. Dezember 2015 verboten. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, sie werde gegen den Beschluss sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen.

Laut Anklage vom 5. Mai 2014 wollten Kusch als Vorsitzender des Vereins Sterbehilfe Deutschland und der Facharzt für Nervenheilkunde seit Anfang 2012 einen Präzedenzfall schaffen. Im Juni 2012 seien die beiden Frauen aus Hamburg-Hummelsbüttel dem Verein beigetreten und hätten Kusch mitgeteilt, dass sie überlegten, sich selbst zu töten. Kusch habe sie für ein psychiatrisches Gutachten an den Mediziner verwiesen. Dieser habe den Entschluss der 81 und 85 Jahre alten Frauen darin fälschlicherweise als “wohlerwogen” bezeichnet. Kusch habe für die Selbsttötung am 10. November 2012 die Überdosis eines verschreibungspflichtigen Medikaments besorgt.

Gutachten für 2000 Euro

Der Nervenarzt habe in seinem Gutachten zum Preis von 2000 Euro festgestellt, dass die beiden Damen geistig und körperlich rege und sozial gut eingebunden waren. Der Grund für ihren Wunsch zu sterben sei allein ihre Angst vor dem Altern und dessen Folgen gewesen. Anders als auch von der Vereinssatzung vorgesehen, habe er ihnen keine Alternativen zu ihrem Sterbewunsch oder Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt. “Es kam ihnen (dem Arzt und Kusch) darauf an, in Hamburg eine justizielle Entscheidung über einen Fall der ‘Hilfe zur begleiteten Selbsttötung’ zu erzwingen”, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Der Arzt habe den Frauen geraten, ihren Verwandten und Freunden nicht von ihrem Vorhaben zu berichten und mit ihnen die Verwendung des Vereinsbeitrags als Spende geregelt. Als er am vereinbarten Todestag in die Wohnung der Frauen kam, habe die 81-Jährige geweint, beide Seniorinnen hätten mit ihrer Entscheidung gehadert. Der Mediziner habe ihnen daraufhin erneut suggeriert, dass ihr Entschluss durchdacht und ohne Alternative sei. Daraufhin nahmen die Frauen die Medikamente, wurden bewusstlos und starben.

Das Landgericht sieht keinen hinreichenden Tatverdacht, dass die Seniorinnen ihren Entschluss nicht freiwillig gefasst haben. Zwar bestehe der Verdacht, dass Kusch und der Mediziner die beiden Frauen für ihre gesellschaftspolitischen Ziele instrumentalisieren wollten. Es sei aber nicht erkennbar, dass die Angeschuldigten die Frauen getäuscht hätten. Belege dafür, dass Kusch an der Beschaffung der tödlichen Medikamente beteiligt war, seien nicht ersichtlich.

Text und Foto: dpa /fw