Hämophilie: blutungsfreies Leben durch Gentherapie? Logo of esanum https://www.esanum.de

Gentherapie bei Hämophilie: Hoffnung auf ein blutungsfreies Leben

Bislang waren Betroffene mit Hämophilie auf lebenslange Injektionen der fehlenden Gerinnungsfaktoren angewiesen. Mit der Gentherapie könnte eine einzige Dosis ausreichen.

Hereditäre Hämophilie

Bei der hereditären Hämophilie liegt eine gestörte Blutgerinnung vor, durch die Blut gar nicht oder nur sehr langsam gerinnt. Am 17.04.2023 ist Welttag der Hämophilie.

Das sollten Sie über die neue Gentherapie wissen:

Hämophilie: Selten, aber gravierend

Die Hämophilie ist eine erblich bedingte Gerinnungsstörung, bei der zu wenig funktionsfähige Gerinnungsfaktoren (FVIII bei der Hämophilie A, FIX bei der Hämophilie B) gebildet werden. Mit einer Häufigkeit von 1:10.000 zählt sie zu den seltenen Erkrankungen. Aufgrund des X-chromosomal-rezessiven Erbgangs sind die meisten Betroffenen männlich. 

Je nach Restaktivität der vorhandenen FVIII- oder FIX-Proteine unterscheidet man verschiedene Schweregrade. Bei einer schweren Hämophilie ist die Gefahr von spontanen Blutungen in Gelenke, Muskeln, innere Organe und Gehirn besonders groß. Am 17.04.2023 ist Welttag der Hämophilie.

Deutlich weniger Hämophilie-bedingte Blutungen

Als monogene Erkrankung ist die Hämophilie prädestiniert für eine Gentherapie und steht bereits länger im Fokus der Forschung. Zudem kann schon eine leichte Erhöhung der Gerinnungsaktivität das Blutungsrisiko deutlich reduzieren. Fraglich ist bislang allerdings noch, wie lange der Effekt anhält.

Die bisherigen Daten aus den Zulassungsstudien stimmen jedenfalls optimistisch. Bei den meisten der 134 Patienten mit Hämophilie A aus der Phase-3-Prüfung war noch zwei Jahre nach der Behandlung ein erhöhter Faktor-VIII-Spiegel messbar, was sich auch klinisch niederschlug: Die Blutungsraten gingen um 85 % zurück.

Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei der Hämophilie B. In zwei prospektiven, offenen Studien mit 57 Patienten sanken die Blutungsraten von 4,19 auf 1,51 Blutungen pro Jahr und halten sich bei den ersten Probanden mittlerweile über drei Jahre stabil.

Leberwerte im Blick behalten

Und das bei einer allgemein guten Verträglichkeit. Direkt im Anschluss an die Behandlung kann es zu grippeähnlichen Symptomen, Fieber, Übelkeit und Muskelschmerzen kommen, die jedoch nach einigen Tagen sistieren. 

Relativ häufig ist eine Erhöhung der Leberwerte, bedingt durch eine autoimmune T-Zell-Reaktion. Um die Wirksamkeit der Behandlung nicht zu gefährden, empfiehlt sich der frühzeitige Einsatz von Kortikosteroiden. Damit normalisieren sich Leberwerte und Faktorexpression in den meisten Fällen wieder. 

Hohe Therapiekosten

Nachhaltige Erhöhung der Faktor-Konzentration, signifikante Senkung der Blutungsrate und Steigerung der Lebensqualität – all das hat seinen Preis. Mit Therapiekosten im Millionenbereich für eine einmalige Behandlung gehören die neuen Gentherapeutika zu den teuersten Medikamenten weltweit. Noch ist die Zulassung nur bedingt. Weitere klinische Daten müssen in Zukunft zeigen, ob sich der kostspielige Einsatz der Gentherapie bei der Hämophilie wirklich bewährt.

Hämophilie-Therapie: Fazit für die Praxis 

Mit der bedingten Zulassung durch die EMA haben Roctavian und Hemgenix den ersten Schritt hin zur Marktreife genommen. Damit stehen erstmals Medikamente zur Behandlung der Hämophilie zur Verfügung, die eine anhaltende Blutungsfreiheit versprechen. Für die Betroffenen bedeutet das einen enormen Gewinn an Lebensqualität. Ob die Wirkung tatsächlich dauerhaft anhält, müssen weitere Studien zeigen. 

Mehr zum Thema Seltene Erkrankungen, Orphan Drugs und Gentherapie finden Sie in unserem Themenspecial zum Rare Disease Day.

Quellen:

Miesbach W, Klamroth R, Oldenburg J, Tiede A: Gene therapy for hemophilia – opportunities and risks. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 887–94. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0353

European Medicines Agency (EMA): First gene therapy to treat severe haemophilia A. News 24/06/2022. Online unter https://www.ema.europa.eu/en/news/first-gene-therapy-treat-severe-haemophilia (letzter Aufruf: April 2023).

European Medicines Agency (EMA): First gene therapy to treat haemophilia B. News 16/12/2022. Online unter https://www.ema.europa.eu/en/news/first-gene-therapy-treat-haemophilia-b (letzter Aufruf: April 2023).