Bis zu 15% der kolorektalen Karzinome haben eine genetische Komponente, die sich in einem Phänomen namens DNA mismatch repair deficiency (dMMR), fehlerhaften Reparaturmechanismen der DNA, manifestiert. Bisher war nur wenig über das Mutationsverhalten bei Patienten mit kolorektalen Karzinomen bekannt, was genau dMMR verursacht und welche Therapien am effektivsten sind.
Eine neue Studie am University of Texas MD Anderson Cancer Center erbrachte neue Daten zur hereditären Komponente der dMMR bei Rektumkarzinom, was Klinikern möglicherweise bei der Diagnostik, Therapie und Prävention, aber auch in der Erprobung neuer potentieller Behandlungsmöglichkeiten zu Gute kommt. Die Ergebnisse der Studie, in die zwischen 1992 und 2012 62 Patienten eingeschlossen wurden, wurden am 18. Juli online im Magazin Journal of Clinical Oncology publiziert.
Die retrospektiv angelegte Studie lieferte einen neuen Maßstab für den derzeitigen Behandlungsansatz, einschließlich Chemotherapie und chirurgischer Resektion, und bestätigte, dass dMMR-Patienten höchstwahrscheinlich eine gute Prognose haben. Die Studie unterstrich darüber hinaus, wie wichtig eine Langzeitnachbetreuung nach dem Überleben eines kolorektalen Karzinoms ist.
Das DNA-mismatch-repair-System ist die Methode des menschlichen Körpers, Mutationen oder genetische Defekte zu reparieren, die im Rahmen der Zellteilung auftreten. Manchmal jedoch funktioniert dieses Reparaturwerkzeug nicht korrekt, was zu vermehrten Mutationen und letztlich zu Krebs führen kann. Vier Gene – MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 – sind bisher mit dem DNA-mismatch-repair-System in Verbindung gebracht worden. Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass MLH1 und MSH2 die hauptverantwortlichen Faktoren für den Zusammenbruch dieses Systems seien. In der MD Anderson Studie jedoch fand man heraus, dass bei Rektumkarzinompatienten mit dMMR am häufigsten MSH2 und MSH6 gefunden wurden.
Der Forscher gehen davon aus, dass derartige genetische Informationen einen maßgeschneiderten Ansatz hinsichtlich Diagnostik und Therapie ermöglichen. Diese sogenannte “Präzisionsmedizin” erlaubt therapeutische Optionen, die maßgeschneidert für bestimmte Charakteristika sind, wie zum Beispiel die genetische Ausstattung eines Individuums oder das genetische Profil eines bestimmten Tumors.
“Unser Paper illustriert perfekt, inwieweit das Potential der Präzisionsmedizin realisiert werden kann”, erklärte Y. Nancy You, Ärztin und Professorin für Onkochirurgie. “Dieses neue Verständnis der dMMR liefert unmittelbare Möglichkeiten, dem Patienten zu vermitteln, wie es ihm auf lange Sicht gehen wird und welche chemotherapeutischen und chirurgischen Optionen für ihn die besten sind.”
Das Forscherteam stellte fest, dass die Identifikation von MSH2 und MSH6 als Mutationsgene, die Patienten potentiell an ihre Nachkommen weitergeben können, der Schlüssel für eine optimierte Identifizierung und Überwachung für Patienten und deren Familienmitglieder sei, die ein Risiko für dMMR haben.
“Wenn wir wissen, dass ein Patient diese Mutation in sich trägt, dann können wir ihn in unsere Familial High-Risk GI Cancer Clinic einbinden, wo er und seine Familienmitglieder langfristig betreut werden und regelmäßig Überwachungstests zum Ausschluss von Karzinomen durchgeführt werden, indem nach präkanzerösen Läsionen gefahndet wird, sodass diese möglichst früh reseziert werden können”, erklärte You. “Darüber hinaus empfehlen wir ausdrücklich, einen gesunden Lifestyle zu verfolgen, da es Hinweise darauf gibt, dass der Lebenswandel trotz der genetischen Komponente eine Rolle spielt.”
You fügte hinzu, dass ein besseres Verständnis des genetischen Hintergrundes des dMMR-assoziierten kolorektalen Karzinoms und eine gründlichere Untersuchung des Ansprechens von Patienten auf die Standardtherapien es Klinikern ermöglichen wird, fundierte Entscheidungen zu treffen, wenn es darum geht, neu verfügbare Therapieoptionen anzubieten.
“Wir haben das Potential für eine verbesserte Behandlung mit neuen Immuntherapeutika, aber die prognostischen und prädiktiven Hintergründe der dMMR bei Patienten mit kolorektalem Karzinom sind bisher noch nicht ausreichend untersucht worden”, konstatierte sie. “Indem Wissenslücken überbrückt werden, kann die Wirksamkeit neuer Therapieformen und präventiver Maßnahmen akkurater untersucht und so verbessert werden.”