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Gemischte Bilanz zur Reform der Ärzte-Bereitschaft

Wenn die Arztpraxis geschlossen ist, gilt seit Januar in Hessen die einheitliche Rufnummer 116 117. Zwei Dispozentralen bündeln alle Anrufe. Erst gab es dagegen Proteste, dann Anlaufschwierigkeiten

Wenn die Arztpraxis geschlossen ist, gilt seit Januar in Hessen die einheitliche Rufnummer 116 117. Zwei Dispozentralen bündeln alle Anrufe. Erst gab es dagegen Proteste, dann Anlaufschwierigkeiten. Jetzt soll alles besser werden.

Anna T. hat Rückenschmerzen. Es ist Mittwochnachmittag, ihr Hausarzt hat zu. Ins Krankenhaus kann sie nicht gehen, sie hat ein kleines Kind. So ruft sie beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst an und bittet um einen Hausbesuch. Einsatz-Sachbearbeiter Nicolas Alix muss entscheiden, ob das nötig ist. Bis er das rausbekommen hat, dauert es ein paar Minuten – die Patientin spricht nur schlecht Deutsch. Alix entscheidet “Ja” und übergibt den Fall an einen Disponenten. Dieser verständigt einen der diensthabenden Bereitschaftsärzte in Frankfurt.

35 000 Anrufe dieser Art gehen monatlich in den beiden Dispozentralen für Hessen in Frankfurt und Kassel ein. Seit Beginn des Jahres werden alle Patienten, die außerhalb der Praxisöffnungszeiten einen Haus- oder Facharzt kontaktieren wollen, von diesen zwei Zentralen bedient. Zuvor rief man in vielen Regionen direkt seinen Hausarzt oder dessen Vertreter an oder wandte sich an eine regionale Zentralstelle. In jeder Region war das anders organisiert, die Bereitschaftsärzte verdienten unterschiedlich viel. In manchen Regionen fand sich kaum einer, der diese Dienst machen wollte, andere waren überversorgt.

Seit 2014 setzte die Kassenärztliche Vereinigung nach und nach eine einheitliche Struktur im ganzen Land und die einheitliche Rufnummer 116 117 durch – gegen erhebliche Widerstände. Seit 1.1.2015 ist die Reform abgeschlossen. Zeit, Bilanz zu ziehen. Der Teamleiter der Dispozentrale Süd, Jan Riehle, gibt zu, “dass die Reform an der einen oder anderen Ecke gehakt hat und Ärzten wie Patienten einiges abgefordert hat”. Aber so schlecht, wie das neue System in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, sei es nie gewesen.

Dass Anrufer rund 30 Minuten und mehr in einer Warteschleife steckten, wie der hessische Landkreistag berichtet, treffe nicht zu. Der absolute Ausreißer seien einmal 19 Minuten gewesen. Allerdings gibt Riehle zu, “dass die Erreichbarkeit anfangs nicht so war, dass wir damit zufrieden waren”. Grund war die Grippewelle. Während viele Mitarbeiter selbst krank waren, gab es weit mehr Anrufe als erwartet – 60 000 im Februar. In dieser Phase habe mancher Patient nach zehn Minuten frustriert aufgelegt oder sich dann am Telefon beschwert.

Aber das ist Vergangenheit, sagt KV-Sprecher Karl Matthias Roth. Das Personal wurde seither aufgestockt. In Kassel gab es zum Start im Oktober vergangenen Jahres 25 Köpfe, derzeit sind es 42. In Frankfurt stieg die Zahl von 48 auf 80. In Spitzenzeiten sitzen 19 Kollegen – Arzthelferinnen, Pfleger oder Rettungsassistenten – und ein Arzt am Telefon. Noch immer sind nicht alle Stellen besetzt.

Neben der Personalaufstockung gibt es in den Dispozentralen nun auch eine Nebenlinie für allgemeine Auskünfte. Denn 60 Prozent der Anrufer, sagt Teamleiter Riehle, brauchen gar keine Hilfe, sondern wollen wissen, welche Apotheke offen hat oder wie man den Tierarzt erreicht. Oder sie haben Fragen, die schon am Telefon beantwortet werden können – etwa, ob sie ihr gebrochenes Bein hoch lagern sollen.

Zehn Prozent der Anrufer haben ein akutes medizinisches Problem. Sie hätten unter 112 den Notarzt anrufen sollen. Es wäre ohnehin besser, beides aus einer Hand zu organisieren, findet der hessische Landkreistag. Direktor Jan Hilligardt hatte der KV angeboten, die Ärzte-Bereitschaften über die Rettungsleitstellen mitzudisponieren. “Das wäre auch aus Sicht der Patienten der bessere Weg”, findet er.

Verändert hat sich mit der Reform auch die Struktur der Bereitschaftszentralen vor Ort. Vor der Reform gab es mehr kleine, regionale Zentralen, nun sind es weniger. Das bedeutet in manchen Gebieten weitere Wege für Patienten. Zudem waren die Zentralen häufiger in Praxen angesiedelt, jetzt sind sie öfter an Krankenhäuser angebunden. Demnächst zieht die Frankfurter Zentrale vom Ärztehaus an der Galluswarte an die Uni-Klinik.

“Vielfach sind durch die Reform funktionierende Zentralen weggefallen”, beklagt der Landkreistag. “Besonders wehgetan” habe die Reform im Lahn-Dill-Kreis und im Kreis Bergstraße. Auch die SPD im hessischen Landtag ist unzufrieden. Seit der Reform gebe es “von Ärzten und Patienten massive Beschwerden”, heißt es in einer Kleinen Anfrage. Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU) antwortet, zwar gebe es “einzelne Beschwerden” und “allgemeine Befürchtungen”. Die Landesregierung sehe aber “derzeit keinen Handlungsbedarf”.

Text und Foto: dpa /fw