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Gehirn von Babys festigt im Schlaf auch Details einzelner Erlebnisse

Eine aktuelle Studie zeigt: Das Gehirn von Babys festigt im Schlaf auch die Details einzelner Erlebnisse und schützt sie vor einer Verallgemeinerung.

Episodisches Gedächtnis ist auch bei Kleinkindern von Bedeutung

Im Schlaf durchspielt das Gehirn zuvor Erlebtes, festigt neue Gedächtnisinhalte und fasst ähnliche Erfahrungen zu allgemeinerem Wissen zusammen. Das gilt bereits für Babys. Anders als bislang vermutet, können sie dabei mehr als nur das Gelernte verallgemeinern. Eine aktuelle Studie zeigt: Das Gehirn von Babys festigt im Schlaf auch die Details einzelner Erlebnisse und schützt sie vor einer Verallgemeinerung. Die Studie liefert damit den ersten Nachweis, dass der Schlaf bei Kleinkindern auch für das episodische Gedächtnis von Bedeutung ist. Das Phänomen der frühkindlichen Amnesie könnte damit in ein neues Licht gerückt werden.

Das Gehirn ist ständig neuen Eindrücken ausgesetzt. Selbst beim Schlafen gibt es keine Ruhe und verarbeitet das zuvor Gelernte. Bislang war man davon ausgegangen, dass in der sehr frühen Kindheit der Schlaf vor allem das semantische Gedächtnis fördert. Das enthält allgemeines Wissen wie die Bedeutung von Wörtern. Forschende des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) Leipzig und der Humboldt-Universität (HU) Berlin haben nun gemeinsam mit Forschungsteams aus Lübeck und Tübingen erstmals in einer Studie in Nature Communications gezeigt, dass Babys beim Schlafen auch ihr episodisches Gedächtnis aufbauen. So können sie sich nach dem Schlaf an die Details einzelner Erlebnisse erinnern.

Untersucht haben die Forschenden diesen Zusammenhang mithilfe einer dreiphasigen Studie. In der Lernphase bekamen die 14 bis 17 Monate alten Kinder Bilder von Objekten zu sehen, deren Namen sie bereits kannten, also etwa verschiedene Autos, Bälle oder Hunde. Zu jeder Abbildung hörten sie die jeweils passende Benennung. Die folgenden ein bis zwei Stunden verbrachte eine Gruppe der Kinder schlafend, eine zweite blieb wach. In der anschließenden Testphase wurde den kleinen Teilnehmenden noch einmal verschiedene Bilder gezeigt, sowohl solche, die sie schon in der Lernphase gesehen hatten, als auch neue Autos, Bälle und Hunde. Jedes Objekt wurde einmal richtig und einmal falsch benannt. Über die gesamte Untersuchung hinweg zeichnete das Forschungsteam die Gehirnaktivität der Babys mit Hilfe des Elektroenzephalogramms (EEG) auf.

Bild und Wort zu einheitlichem Ereignis im Gedächtnis verschmolzen

Die Analyse der EEG-Aktivität machte deutlich: Das Gehirn der Kinder, die geschlafen hatten, reagierte im Gedächtnistest anders als das der wach gebliebenen – jedoch nur in bestimmten Fällen. Präsentierte man den Kleinen einen Ball, den sie vorher noch nicht gesehen hatten, und bezeichneten ihn als Auto, unterschieden sich die Hirnreaktionen nicht. Bei beiden Gruppen erschien die N400-Komponente, die auftritt, wenn das Gehirn unpassende Bedeutungen verarbeitet. Die Kinder wissen demnach gleichermaßen, dass ein Ball kein Auto ist.

Anders jedoch, wenn die Kinder einen Ball aus der Lernphase zu sehen bekamen und der als Auto bezeichnet wurde. Die Wachgruppe zeigte erneut die N400-Komponente, die Schlafgruppe dagegen nicht. Bei den ausgeschlafenen Kindern beobachteten die Forschenden dafür eine Hirnreaktion, die ausgelöst wurde, wenn ein Ball aus der Lernphase wieder korrekt als solcher benannt wurde. Die Reaktion trat jedoch nicht auf, wenn ein neuer Ball als "Ball" bezeichnet wurde. Die Forschenden schlussfolgerten: Nach dem Schlaf hatten die Kleinen die vorher erlebten Objekt-Wort-Paare nicht mehr als Benennung einer Bedeutung verstanden. Vielmehr erkannten sie die Zuordnungen als individuelle Episoden wieder. Bild und Wort waren demnach zu einem einheitlichen Ereignis im Gedächtnis verschmolzen.

Interessante Beobachtungen im Zusammenhang mit frühkindlicher Amnesie

"Die Ergebnisse zeigen, dass der Schlaf dem frühkindlichen Gehirn nicht nur ermöglicht, individuelle Erlebnisse zu verallgemeinern. Das Schlafen hilft auch, individuelle Erlebnisse im Detail zu bewahren und von bestehendem allgemeinen Wissen abzugrenzen.", erklärt Erstautorin Manuela Friedrich, Wissenschaftlerin am MPI CBS und an der HU Berlin. Sie vermutet weiter: "Dadurch, dass eine wiedererkannte Objekt-Wort-Episode nicht als Benennung von allgemeinem Wissen verstanden wird, können ihre Details vor einer Vermischung mit bestehendem Gedächtnis geschützt werden."

Interessant sind die Ergebnisse auch im Zusammenhang mit der frühkindlichen Amnesie, also dem Phänomen, sich an die eigenen frühkindlichen Erlebnisse nicht mehr erinnern zu können. So wurde vielfach vermutet, dass Kleinkinder noch nicht fähig sind, längerfristiges episodisches Wissen zu bilden. Die aktuellen Erkenntnisse machen jedoch deutlich, auch Kleinkinder können Erlebnisse im Detail behalten. Und der Schlaf trägt maßgeblich dazu bei.

Quelle:
Manuela Friedrich, Matthias Mölle, Angela D. Friederici, Jan Born Sleep-dependent memory consolidation in infants protects new episodic memories from existing semantic memories. Nature communications volume 11, Article number: 1298 (2020)