Die Interpersonelle Psychotherapie (IPT) nach Klerman und Weissman gehört laut einer neueren Metaanalyse zu den wirksamsten psychologischen Depressionstherapien. Das Verfahren ist ursprünglich als Kurzzeittherapie für ambulante, unipolar depressive Episoden entwickelt worden.
Zwischenzeitlich wurde das Modell auf der Grundlage fortgesetzter Forschung, aber auch einem wachsenden Bedarf im Gesundheitswesen erweitert zur Behandlung depressiver Störungen über die gesamte Lebensspanne (Jugendliche und Ältere), in verschiedenen Formaten (per Telefon und Internet) sowie für transkulturelle Settings.
Gerade für das letztere Feld wurde dieser schulenübergreifende Ansatz auf eine Vielzahl an Gesundheitsberufen ausgedehnt (Psychiater, Psychologen, Pflegekräfte, Sozialarbeiter bis hin zu trainierten Gesundheitscoaches), um die Lücke zwischen dem wachsenden Bedarf und dem mangelnden Zugang zu psychischer Gesundheitsversorgung zu verringern. IPT wurde außerdem erfolgreich modifiziert für andere psychische Erkrankungen wie bipolare Störungen, Essstörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen. Auf der Basis zahlreicher Studien wird der Ansatz in nationalen (S3) und internationalen Leitlinien empfohlen.
Da der Ansatz auf störungsorientierten Strategien und weniger auf spezifischen Techniken beruht, kann er mit Hilfe eines Manuals (Schramm, 2010) sowie unter Einsatz eines Webinars (Kompetenzzentrum Psychotherapie) oder IPT-Seminaren relativ schnell erlernt werden. Die Zertifizierung in der Methode ist über die Deutsche Gesellschaft der Interpersonellen Psychotherapie (DGIPT) zu erreichen.
Die IPT setzt direkt an den belastenden interpersonellen Lebensbezügen des Betroffenen an. Das heißt der Behandlungsfokus liegt auf dem zwischenmenschlichen Kontext, in dem sich die depressive Episode entwickelt hat.
Neben den klassischen evidenzbasierten Foki der Trauer, Rollenwechsel, Konflikte oder Einsamkeit wurde in den letzten Jahren ein 5. Fokus “Arbeitsstress” konzeptualisiert. Das Ziel liegt auf der Verbesserung der gegenwärtigen Interaktions- und Kommunikationsmuster des Patienten mit seinen Bezugspersonen, der Reduktion von zwischenmenschlichem Stress und dem Aufbau sozialer Unterstützung. Die Emotionen und Ressourcen des Patienten spielen dabei eine bedeutende Rolle.
Der Behandlungsablauf ist zunächst in drei Abschnitte gegliedert, die jeweils störungsorientiert unterschiedliche Ziele verfolgen, z.B. akute Entlastung des Patienten und Hoffnungsvermittlung in der ersten Behandlungsphase, emotionale und problembewältigende Bearbeitung des Fokus in der mittleren Phase, Abschluss der Akuttherapie in der dritten Phase. Der Ablauf wird aufgrund der Datenlage (hohe Rückfallgefahr bei rezidivierenden Depressionen) seit einiger Zeit durch eine vierte Erhaltungstherapiephase ergänzt.
Die Gesprächsführung ist im klärungsorientierten Teil an das Vorgehen psychodynamischer Kurzzeittherapien, im bewältigungsorientierten Teil an verhaltenstherapeutische Methoden angelehnt. Die Haltung des Therapeuten ist dabei aktiv und unterstützend, stets explizit auf Seiten des Patienten (Advokatenrolle). Es ist die Aufgabe des Therapeuten die von Bowlby geforderte „sichere Basis“ aufzubauen, um dem Patienten eine angstfreie Erforschung seiner äußeren und inneren Welt zu ermöglichen.
Kontraindiziert ist die Anwendung der IPT bei akut psychotisch depressiven, wahnhaften oder manischen Patienten. Das gleiche gilt, wenn zusätzlich zur Depression eine ausgeprägte Substanzabhängigkeit vorliegt. Außerdem wird von der alleinigen Anwendung dieser Therapieform bei schwer melancholisch Depressiven abgeraten. Bei anorektischen und bei Patienten mit einer “reinen” Dysthymie (ohne major depressive Episoden) oder chronischer Depression erwies sich die Behandlung mit IPT als nicht hinreichend erfolgreich. Der Einsatz der Methode wird in den Leitlinien besonders für Patienten mit psychosozialen Problemen sowie mit beruflichen oder partnerschaftlichen Schwierigkeiten empfohlen.
Text: Schramm, E. (2010). Interpersonelle Psychotherapie. 3. Aufl. Stuttgart: Schattauer.