Eine Arztpraxis darf einer blinden Frau nicht aus hygienischen Gründen verbieten, mit ihrem Führhund durchs Wartezimmer zu gehen. So ein Verbot benachteilige die Frau wegen ihrer Behinderung, entschied das Bundesverfassungsgericht. Einer Verfassungsbeschwerde der Berlinerin wurde stattgegeben, wie das Gericht in Karlsruhe mitteilte.
Die Frau war 2014 in physiotherapeutischer Behandlung. Die Praxis war entweder durch den Hof über eine offene Stahlgittertreppe zu erreichen. Oder ebenerdig durch das Wartezimmer einer Orthopädiepraxis im selben Gebäude. Die Frau hatte mit ihrer Hündin schon mehrmals die Praxis durchquert - bis ihr dies von Seiten der Praxis verboten und sie auf den Weg über den Hof verwiesen wurde. Dieser Weg kommt für die Frau nach ihrer Darstellung aber nicht infrage: Das Tier habe Angst vor der Treppe, weil es sich schon einmal mit den Krallen im Gitter verfangen und verletzt habe.
Berliner Gerichte hatten die Klage der Frau abgewiesen - zu Unrecht, entschied nun das Verfassungsgericht. Das Verbot, Hunde in die Praxis mitzunehmen, sei zwar scheinbar neutral formuliert. Tatsächlich benachteilige es die blinde Frau aber in besonderem Maße.
Ohne ihren Hund müsse sich die Frau Unbekannten anvertrauen, sich anfassen und führen lassen. Dies komme einer Bevormundung gleich. Das Benachteiligungsverbot solle es Menschen mit Behinderung aber ermöglichen, so weit wie möglich ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben zu führen, so das Gericht. Weder das Robert-Koch-Institut noch die Deutsche Krankenhausgesellschaft hätten hygienische Bedenken bei Blindenhunden in Praxen und Krankenhäusern.