Sehr früh oder sehr leicht geborene Kinder leiden nicht grundsätzlich häufiger an Angst- und affektiven Störungen, etwa Depressionen, als reif geborene Kinder. Zu diesem Schluss kommen Forscher nach Analyse einer in Deutschland durchgeführten Längsschnittstudie. Sie widerlegen damit Annahmen aus früheren Studien, die ein generell erhöhtes Risiko für Depression und Angststörungen bei Frühgeborenen postuliert hatten.
Im Journal of Child Psychology and Psychiatry berichtet das Team um Dr. Julia Jäkel von der Ruhr-Universität Bochum, derzeit Associate Professor an der University of Tennessee in Knoxville, und Prof. Dr. Dieter Wolke von der University of Warwick gemeinsam mit Kollegen der Universitätsklinik in Bonn über die Ergebnisse.
Die Wissenschaftler verglichen 200 Kinder, die vor der 32. Schwangerschaftswoche oder mit weniger als 1.500 Gramm Gewicht zur Welt gekommen waren, mit 197 reif geborenen Kindern. Im Alter von sechs, acht und 26 Jahren nahmen die Probanden an detaillierten psychiatrischen Interviews teil. So wurde erhoben, ob sie eine Angststörung oder eine affektive Störung hatten.
Im Alter von sechs Jahren ergab sich kein erhöhtes Risiko bei den Frühgeborenen, eine Angststörung oder Depression zu entwickeln. Mit acht Jahren hatte sich das Störungsrisiko leicht erhöht und stieg bis zum Alter von 26 Jahren noch einmal an. Allerdings gab es keine statistisch bedeutsamen Unterschiede zwischen früh und reif geborenen Kindern und Erwachsenen. Denn bei Letzteren stieg das Risiko ebenfalls im Lauf der Zeit an. "Anders als frühere Studien mit kleineren Stichproben nahegelegt haben, scheint es kein dauerhaft erhöhtes Risiko für Angststörungen oder Depression bei Frühgeborenen zu geben", sagt Julia Jäkel.
In einer weiteren Analyse fand das Team heraus, dass sich Paarbeziehungen positiv auswirken können. Junge Erwachsene, die Unterstützung von einem Partner oder einer Partnerin erhielten, hatten ein signifikant geringeres Risiko, an einer Angst- oder affektiven Störung zu erkranken. Sehr früh geborene junge Erwachsene lebten allerdings seltener in solchen Beziehungen und waren sozial zurückgezogener. "Erwachsene, die keinen Partner haben, brauchen möglicherweise soziale Unterstützung von anderen Seiten, um solchen Störungen vorzubeugen", folgert Dieter Wolke.