Seit Jahrzehnten gilt Frankfurt als Rauschgifthochburg. Auch Süchtige aus dem Umland und anderen Ecken Deutschlands suchen die Stadt auf. Wie umgehen mit dem "Drogentourismus"?
Im Frankfurter Bahnhofsviertel wird das Elend rund um die Uhr sichtbar. In der direkten Nähe von hippen Bars und teuren Wohnungen ist die Drogenszene auf wenige Straßenzüge zusammengeschrumpft. Vor einem Konsumraum in der Elbestraße sammeln sich zahlreiche Junkies. Hier bietet die Stadt Schwerstabhängigen die Möglichkeit, sich unter hygienischen Bedingungen Drogen zu verabreichen - und wurde damit zum bundesweiten Vorreiter.
Fast die Hälfte der Menschen, die das Angebot nutzen, kommt gar nicht aus Frankfurt. Viele pendeln aus dem Rhein-Main-Gebiet oder aus weiter entfernten Städten. "Fakt ist: In Frankfurt gibt es einen Drogentourismus", sagt Heino Stöver vom dortigen Institut für Suchtforschung. "Dieser begründet sich auf Frankfurts Ruf als Drogenmetropole oder weil die Stadt in der Metropolregion leicht und kostengünstig zu erreichen ist."
Gesundheitsdezernent Stefan Majer (Grüne) sagt: "Es heißt ja immer, dass an Frankfurt kein Weg vorbei führt. Das gilt aber nicht nur für Banken oder den Flughafen, sondern leider auch für Themen wie den Drogenhandel."
Das Institut für Suchtforschung analysiert regelmäßig Daten zu den NutzerInnen der Frankfurter Konsumräume. Die vier Einrichtungen sind die einzigen in Hessen. Im Jahr 2018 haben etwa 4.500 verschiedene Abhängige die "Druckräume" aufgesucht. 44 Prozent wohnten demnach in Frankfurt, 28 Prozent in einer anderen hessischen Gemeinde, 28 Prozent in einem anderen Teil Deutschlands oder einem anderem Land. Stöver verweist darauf, dass viele als "Auswärtige" erfasst würden, obwohl sie ihren Lebensmittelpunkt längst in Frankfurt hätten.
Gabi Becker ist seit vielen Jahren bei der Integrativen Drogenhilfe aktiv. "Unsere Konsumräume stehen seit jeher allen Leute offen, egal woher sie kommen", betont die Geschäftsführerin. Zudem sei diese Entwicklung nicht neu. Und in der Tat: Die Zahlen sind seit Jahren relativ stabil.
"Wenn Sie sich die Zeitungsartikel aus den 1990er Jahren anschauen, sehen Sie, dass es schon damals die Diskussion mit dem Umland gab", sagt Dezernent Majer. "Das wichtigste Motiv für Auswärtige, sich in Frankfurt auf der Szene aufzuhalten, ist der Drogenkauf." Hilfsangebote wie Druckräume spielten nur eine untergeordnete Rolle.
"Gerade in anderen Städten des Rhein-Main-Gebiets - von Mainz bis hin nach Aschaffenburg - gibt es harte Drogenszenen, von denen sich einige hier versorgen", sagt Bernd Werse vom Centre for Drug Research an der Goethe-Universität. Und Stöver ergänzt: "Sie setzen sich den ersten Druck in einer geschützten Umgebung in den Konsumräumen und nehmen den Rest mit in ihre Heimatgemeinde".
Dabei sind die in Frankfurt auf der Straße verkauften Substanzen von äußerst schlechter Qualität, wie der Experte betont. "Der durchschnittliche Heroingehalt - das wurde vor kurzem in einer toxischen Untersuchung festgestellt - liegt bei acht Prozent." Der Rest bestehe etwa aus zerstückelten Medikamenten wie Paracetamol oder aus Traubenzucker.
Besonders in den 1990er Jahren war Frankfurt als "Junkfurt" verschrien. Das lag auch an der großen offenen Szene und den vielen Drogentoten. Die Stadt reagierte mit dem "Frankfurter Weg", der unter anderem die Druckräume ermöglichte. Die Zahl der Toten sank seit 1991, als ein Höchststand von 147 registriert worden war, auf 22 im Jahr 2018.
Im Dezember hatte Sicherheitsdezernent Markus Frank (CDU) für Aufmerksamkeit gesorgt. Um Frankfurt zu entlasten, forderte er, das Umland stärker in die Pflicht zu nehmen. "Wir wollen, dass sich auch andere Städte an der Problemlösung beteiligen", heißt es jetzt im Dezernat. Geplant sei, in diesem Jahr entsprechende Gespräche mit einigen hessischen Kommunen zu führen.
Stöver begrüßt den Vorstoß. So hätten andere Bundesländer und Kommunen noch Nachholbedarf, was ihre Drogenpolitik betreffe: "Bayern weigert sich seit Jahren gegen Konsumräume, obwohl viele das fordern." In Karlsruhe hat vor einigen Wochen der erste "Druckraum" Baden-Würtembergs geöffnet. Nach dem Betäubungsmittelgesetz können die Räume zugelassen werden, sofern das Land eine Verordnung erlässt.
Aber wird sich im Umland tatsächlich etwas tun? "Das ist immer so ein bisschen Hin- und Herschieben des Schwarzen Peters", erklärt Stöver. "Die anderen Städte verweisen auf Frankfurts liberale Drogenpolitik. Und Frankfurt sagt: 'Ihr macht Eure Hausaufgaben nun gar nicht, es sind Eure Stadtkinder, kümmert euch gefälligst selbst.'"
"Ich finde es äußerst misslich, dass in anderen Städten keine Angebote im vergleichbaren Umfang geschaffen werden", sagt Dezernent Majer. Er weist aber darauf hin, dass das Land Hessen die Hilfseinrichtungen in Frankfurt bezuschusst. "Das spiegelt auch wider, dass die hiesige Drogenszene keine reine Frankfurter Angelegenheit ist."