Das Vorhofflimmern (VHF) ist einer der Hauptrisikofaktoren für den Schlaganfall. Über lange Zeit waren Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie das Warfarin, die Mittel der Wahl in der Antikoagulationstherapie bei VHF. Heutzutage empfiehlt die ESC-Leitlinie jedoch in der Mehrzahl der Fälle neue orale Antikoagulanzien (kurz: NOAC) für Patienten mit VHF.
Warfarin reduziert das Schlaganfallrisiko um bis zu 64 %, jedoch treten nicht selten schwere Nebenwirkungen unter dieser Behandlung auf, wie beispielsweise Blutungen. Umso größer ist der Fortschritt, den die sogenannten neuen oralen Antikoagulanzien (NOAC) nun bringen.
Studien zufolge verringern NOAC das Schlaganfallrisiko eines Patienten um weitere 19 % verglichen mit Warfarin. Zudem treten unter NOAC weniger Blutungen auf und das Nebenwirkungsprofil scheint insgesamt günstiger zu sein als beim Warfarin. Auch aus diesen Gründen werden NOAC heute Warfarin vorgezogen, um das Schlaganfallrisiko bei VHF-Patienten zu reduzieren.
VHF-Patienten leiden jedoch häufiger unter einer Vielzahl an Komorbiditäten, die dennoch in der aktuellen Studienlandschaft nur unzureichend abgebildet werden. Als Beispiele können hier VHF + ACS (acute coronary syndrom), subklinische Formen der VHF sowie Patienten mit VHF und gleichzeitiger renaler Erkrankung angeführt werden.
Patienten mit chronischem Nierenversagen und VHF haben ein generell höheres, gleichzeitig bestehendes Risiko für Blutungen und Schlaganfälle. Wie also solche Patienten antikoagulieren? Darüber hinaus gibt es bisher keine Ansätze, wie Dialysepatienten mit VHF behandelt werden könnten.
Im Falle einer subklinischen VHF steht erst einmal zu bedenken, dass je mehr Anstrengungen ärztlicherseits unternommen werden, subklinische VHF-Patienten zu finden, automatisch mehr Fälle entdeckt werden können. Dennoch ist hierbei therapeutisch relevant, ob die VHF-Episode kürzer oder länger als 24 Stunden bestand. Cave: Eine Antikoagulation wird nur denjenigen Patienten empfohlen, deren subklinische VHF länger als 24 Stunden bestand.
Um solche Fragen in der Therapie, wo RCT fehlen, zukünftig besser beantworten zu können, muss auf klinische Real-World-Daten zurückgegriffen werden. Doch Vorsicht: Real-World-Daten basieren stets auf ausgewählten Datensätzen und Methoden und lassen daher meist keine allgemeinen Rückschlüsse auf zugrundeliegende Korrelationen zu.
Aus aktuellen Real-World-Daten z. B. geht hervor, dass der Einsatz von NOAC unter anderem von Patientencharakteristika abhängt: So zeigte sich beispielsweise ein Trend, dass Apixaban mehr bei älteren Patienten, bei Patienten mit chronischem Nierenversagen oder mit einer Geschichte wiederholter schwerer Blutungsereignisse eingesetzt wird.
Darüber hinaus decken sich Real-World-Beobachtungen aber auch teilweise mit den Erkenntnissen der großen RCT. So zeigten sich unter Apixaban vs. VKA in der Praxis ähnliche positive Effekte auf die Risikoreduktion für Schlaganfall und schwere Blutungen wie in der ARISTOTLE-Studie.
Mit der Einführung der NOAC in die VHF-Therapie haben sich die Ergebnisse für die Patienten in Bezug auf Schlaganfallvermeidung und Reduktion der Blutungsereignisse noch weiter verbessert. Daher gelten NOAC heute gemäß aktueller ESC-Leitlinie auch zu den bevorzugten Therapeutika für diese Patienten.
Dennoch gibt es weiterhin eine Reihe von VHF-Patienten, die in den verfügbaren RCTs nicht oder nur ungenügend abgebildet werden. Hier ist es derzeit nötig, Real-World-Daten zu nutzen, die aber gerade für die Gruppe der NOAC oft erstaunlich nah an den RCT liegende Ergebnisse produzieren. Jedoch sollten diese Daten immer mit der nötigen Vorsicht interpretiert werden, denn Real-World-Daten unterliegen stets einem Bias aufgrund der Vorauswahl von bestimmten Patientengruppen oder Therapiemethoden.
Quelle:
"Advances in anticoagulation to improve patient care in atrial fibrillation" (Veranstalter: Bristol-Myers Squibb und Pfizer Alliance), 26.08.2018, ESC 2018, München.