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Forscher finden schon früh im Leben Unterschiede beim biologischen Alter

Dass Menschen unterschiedlich schnell altern, ist oft auf den ersten Blick erkennbar: Während mancher 70-Jährige noch einen Marathon läuft, leiden Altersgenossen unter Hüftproblemen. Erste Untersch

Dass Menschen unterschiedlich schnell altern, ist oft auf den ersten Blick erkennbar: Während mancher 70-Jährige noch einen Marathon läuft, leiden Altersgenossen unter Hüftproblemen. Erste Unterschiede sind jedoch schon früh messbar.

Das biologische Alter unterscheidet sich bereits in relativ jungen Jahren sehr stark. Zudem ist es zu beeinflussen. Mithilfe verschiedener Marker wie etwa Nieren- und Lungenfunktion bestimmten US-Forscher das biologische Alter von rund 1000 38-jährigen Menschen und kamen auf Ergebnisse von unter 30 bis über 60 Jahren. Bislang konzentriert sich die Altersforschung vor allem auf ältere Menschen. “Wenn wir aber altersbedingte Krankheiten verhindern wollen, müssen wir das Altern schon bei jungen Menschen untersuchen”, erklärte Hauptautor Dan Belsky von der Duke University in einer zur Studie veröffentlichten Mitteilung.

Grundlage für die Studie(DOI: 10.1073/pnas.1506264112), deren Ergebnisse in den Proceedings der US-nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS) vorgestellt wurden, ist die sogenannte Dunedin-Studie: Im Rahmen dieser fortlaufenden Langzeit-Erhebung wurden 1037 Menschen aus der neuseeländischen Stadt Dunedin von ihrer Geburt bis zu ihrem 38. Lebensjahr regelmäßig gesundheitlich und psychologisch untersucht.

Die Forscher entwickelten eine Methode, mit der sich Ausmaß und Geschwindigkeit des Alterns bei jungen Erwachsenen messen und vergleichen lassen: Laut Belsky zeigt sich der Prozess des Alterns an den menschlichen Organen früher als bei Augen, Gelenken und Haaren. Folglich prüfte das internationale Forscherteam 18 entsprechende Biomarker, zu denen neben der Nieren- und Lungenfunktion auch Werte der Leber und des Immunsystems gehörten. Zusätzlich wurden Cholesterin, Herzfitness und die Länge der Telomere gemessen, das sind die Chromosomenenden, die sich im Alter verkürzen. Die Studie erfasste auch die Zahngesundheit sowie den Zustand der kleinen Blutgefäße hinter dem Auge, die als Indikator für den Zustand der Blutgefäße im Hirn gelten.

Anhand solcher Werte berechneten die Wissenschaftler das biologische Alter der 38-jährigen Probanden: Es lag bei 28 bis 61 Jahren. Die Forscher verglichen die Daten dann mit den Untersuchungsergebnissen der Studienteilnehmer, als sie 26 und 32 Jahre alt waren, um individuelle Altersprozesse bestimmen zu können. Das Ergebnis: Die meisten Teilnehmer alterten tatsächlich jedes Jahr um ein biologisches Jahr. Einige aber alterten jedes chronologische Jahr um drei Jahre, während andere gar nicht alterten und jünger blieben als ihr biologisches Alter. Diejenigen, deren biologisches Alter höher als 38 Jahre war, alterten entsprechend schneller. Sie zeigten auch einen stärkeren IQ-Rückgang, Zeichen für ein erhöhtes Schlaganfall- und Demenzrisiko sowie verminderte motorische Fähigkeiten. Die Spuren des Alterns waren dabei schon mit 26 Jahren nachweisbar, so Gerontologe Belsky.

Die Probanden, die biologisch älter waren, schnitten auch schlechter in Gleichgewichts- und Koordinationsübungen sowie in kognitiven Tests ab. Zudem gaben sie selbst öfter an, physiologische Probleme etwa beim Treppensteigen zu haben. Die medizinisch erhobenen Daten wurden zusätzlich durch die Fremdwahrnehmung der Probanden gestützt: So schätzten Studenten der Duke University anhand von Fotos der 38-Jährigen deren Alter ein. Jene, die biologisch älter waren, wurden auch als älter eingestuft.

Insgesamt hoffen die Wissenschaftler, dass ihr Analyseraster dabei hilft, in den Alterungsprozess im Ganzen einzugreifen, anstatt einzelne altersbedingte Krankheiten isoliert zu behandeln. Wertvoll dafür sind Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung, die vermuten lassen, dass das Altern nur zu 20 Prozent genetisch bedingt ist. Der Rest geht auf Umwelteinflüsse zurück. Eben jene Umwelteinflüsse würden Raum für eine medizinische Beeinflussung des Alterungsprozesses lassen, schreiben die Forscher. “Wenn wir älter werden, wächst unser Risiko für verschiedenen Krankheiten”, so Belsky. “Um mehrere Krankheiten gleichzeitig zu verhindern und nicht Blindekuh zu spielen, muss das Altern selbst unser Ziel sein.”

Die Erkenntnisse von Belsky und seinen Kollegen sind vor allem vor dem Hintergrund einer alternden Weltbevölkerung relevant. So warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO in diesem Zusammenhang bereits vor den Herausforderungen für die Gesundheitssysteme. Im Jahr 2020 werde der Anteil derjenigen, die 60 Jahre und älter seien, erstmals über der Anzahl der unter Fünfjährigen liegen, so die WHO. Im Jahr 2050 sei mit zwei Milliarden Älteren zu rechnen, verglichen mit 841 Millionen heutzutage. Für Deutschland prognostiziert das Statistische Bundesamt 2050 einen Anteil der über 65-Jährigen von fast einem Drittel an der Gesamtbevölkerung.

Text: dpa /fw