Das Regenerationsvermögen von Nerven im Zentralen und Peripheren Nervensystem unterscheidet sich erheblich. Ein wichtiges Puzzleteil zur Beantwortung der Frage, warum dies so ist, haben nun Forscher um Prof. Dr. Dietmar Fischer, Experimentelle Neurologie der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf, gefunden und in der Zeitschrift PNAS publiziert.
Verletzungs- oder krankheitsbedingte Schädigungen von Nervenfasern (Axonen) im Zentralnervensystem z. B. durch Schlaganfall oder Multiple Sklerose führen oft zu irreparablen Schädigungen und lebenslangen Behinderungen, da die durchtrennten und von ihren Zielgebieten abgeschnittenen Fasern normalerweise nicht nachwachsen können. Schneidet man sich aber in den Finger und kappt dabei periphere Axone, regenerieren diese oft vollständig. Ursächlich für das unterschiedliche Regenerationsvermögen ist die voneinander abweichende zelluläre Umgebung der verletzten Nervenfasern, aber auch die intrinsische Wachstumsfähigkeit der Axone selbst in beiden Teilen des Nervensystems.
Die Düsseldorfer Forscher um Prof. Dr. Dietmar Fischer untersuchten die Rolle eines bestimmten Enzyms mit der Bezeichnung GSK3 (Glycogen synthase kinase-3, GSK3) bei regenerativen Prozessen in peripheren und in zentralen Nervenzellen. Dabei entdeckten sie, dass eine erhöhte Aktivität dieses Proteins im peripheren Ischiasnerven die Regeneration gefördert, aber im zentralen Sehnerv deutlich vermindert. Die Hemmung von GSK3 in zenralen Nervenzellen führte indessen sogar zu einer starken Regenerationssteigerung.
Die Wissenschaftler fanden auch den Grund für diese unerwartet unterschiedlichen Ergebnisse: Nur in Axonen des Zentralnervensystems inaktiviert GSK3 ein weiteres, für das axonale Wachstum entscheidendes Protein, das CRMP2 (Collapsin Response Mediator Protein-2), während dieses im Peripheren Nervensystem aktiv bleibt. Unterbanden die Forscher genau diesen inaktivierenden Effekt, indem sie über einen gentherapeutischen Ansatz die zentralen Nervenzellen dazu brachten, eine dauerhaft aktive Form vom CRMP2 zu bilden, wurde der hemmende Effekt von GSK3 nicht nur aufgehoben, sondern sogar in einen stark regenerationsfördernden umgewandelt.
In anderen Worten: Unter diesen Bedingungen fördert GSK3, wie im Peripheren Nervensystem, auch das Nachwachsen der Fasern im Zentralnervensystem. Die durch diesen Ansatz erzielte Regeneration ist eine der stärksten, die bisher erzielt wurde, denn die Axone erreichten bereits drei Wochen nach der Verletzung des Sehnervs erneut Strukturen im Gehirn.
"Wenngleich wir diese Effekte bisher erst in genetisch veränderten Mäusen und über gentherapeutische Ansätze gezeigt haben, eröffnen uns diese gewonnen Erkenntnisse verschiedene Möglichkeiten zur Entwicklung von neuen medikamentösen Ansätzen", erklärt Prof. Fischer. Diese werden momentan in seiner Arbeitsgruppe am verletzten Sehnerven und Rückenmark am Universitätsklinikum Düsseldorf weiter untersucht.