In vielen Fällen werden die psychologischen Folgen von frühen Fehlgeburten übersehen. Ein kritischer Fehler: Ein britisch-belgisches Forschungsteam deckte auf, dass 17% aller betroffenen Frauen noch neun Monate später an posttraumatischem Stress leiden.
Obwohl bereits frühere Forschungsarbeiten einen starken Zusammenhang zwischen Fehlgeburten und frühen Symptomen von Angststörungen sowie Depressionen nachweisen konnten, sind die Auswirkungen posttraumatischer Belastungsstörungen in diesem Bereich noch weitgehend unerforscht. Aus diesem Grund befasste sich ein britisch-belgisches Forschungsteam in der bislang umfangreichsten Studie zur Thematik mit den psychologischen Langzeitfolgen von Fehlgeburten.
Über 650 Frauen, die zu einem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft einen Verlust erlitten, wurden für die Studie befragt. 537 der Frauen hatten bis zum 3. Monat eine Fehlgeburt erlebt. Per E-Mail erhielten die Studienteilnehmerinnen Fragebögen, die sich mit der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) und der Post-traumatic stress Diagnostic Scale (PDS) einen, drei und neun Monate nach dem Verlust befassten. Die Kontrollgruppe bestand aus 171 Frauen, hinter denen eine gesund verlaufene Schwangerschaft lag.
Hinsichtlich der HADS konnten die ForscherInnen erkennen, dass 67% der Frauen, die Verluste erlitten hatten, nach einem Monat Angst und Depressionen aufwiesen, 58% nach drei Monaten und 46% noch nach 9 Monaten. Mäßige bis schwere Angststörungen lagen bei 24% der Frauen nach einem Monat und noch bei 17% nach 9 Monaten vor. Mäßige bis schwere Depressionen betrafen 11% der Frauen noch nach einem Monat und 6% nach 9 Monaten.
Auch hinsichtlich PTBS war die Situation bei Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten hatten, alarmierend. Nach einem Monat litten 29% der Frauen an posttraumatischem Stress, nach 9 Monaten noch 18%. Im Vergleich waren in der Kontrollgruppe nach einem Monat 13% der Frauen von mäßigen bis schweren Angststörungen und zwei Prozent von mäßigen bis starken Depressionen betroffen.
Aufgrund dieser Ergebnisse sieht Professor Tom Bourne, der leitende Studienautor, massiven Handlungsbedarf: "Die Behandlung, die Frauen nach Schwangerschaftsabbrüchen erhalten, muss sich dringend hinsichtlich der psychologischen Einflussnahme ändern. Dabei ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, häufiger und offener über dieses weit verbreitete Thema zu sprechen. Außerdem muss dringend Abhilfe für Frauen mit PTBS nach Fehlgeburten geschaffen werden. Hier gibt es bislang viel zu wenige Hilfsangebote."
Dr. Jessica Farren, eine Mitverfasserin der Studie, stimmt Bourne zu und sieht ebenfalls einen dringlichen Bedarf, PTBS nach frühen Fehlgeburten entgegenzuwirken: "Posttraumatischer Stress kann sich auf alle Lebensbereiche toxisch auswirken – Von der Arbeit bis zur Beziehung. Seit den vergangenen Jahren gibt es zwar deutliche Fortschritte in der öffentlichen Debatte über mentale Erkrankungen während und nach der Schwangerschaft, aber über frühe Verluste in der Schwangerschaft wird noch oft der Mantel des Schweigens gehüllt."
Quelle:
Farren J et al., Post-traumatic stress, anxiety and depression following miscarriage and ectopic pregnancy: a multi-center, prospective, cohort study. American Journal of Obstetrics & Gynecology; doi:https://doi.org/10.1016/j.ajog.2019.10.102