Nach der folgenschweren Rückrufaktion von defekten Bandscheibenprothesen am Klinikum im ostfriesischen Leer sind neue Vorwürfe aufgetaucht. Der inzwischen insolvente britische Hersteller Ranier habe bereits im Mai 2011 erste Chargen seiner Prothesen für den Vertrieb gesperrt, berichtete die Hannoversche Allgemeine Zeitung am Dienstag. Das Klinikum verwies dagegen in einer Stellungnahme darauf, erst im zweiten Quartal 2015 davon erfahren zu haben. Zuvor habe es im Februar 2014 nur einen Teilrückruf des Herstellers gegeben. Danach seien noch drei Patienten operiert worden, diese seien jedoch nicht von dem Rückruf betroffen.
Nach Klinik-Angaben stammen die fehlerhaften Implantate aus der Zeit von Ende 2010 bis Anfang 2011. Die Leistung der Prothesen könne nachlassen, so dass die Patienten erneut operiert werden müssten. Von 48 betroffenen Patienten wurden bereits mehr als 20 nachoperiert. Vorsorglich rief das Klinikum auf Empfehlung des Herstellers auch 56 Patienten mit anderen Ranier-Implantaten zu Kontrolluntersuchungen auf. Zudem habe das Klinikum 27 Patienten mit Implantaten für die Halswirbelsäule informiert, für die es keine Warnmeldung gab.
Fast alle Patienten hätten sich inzwischen im Klinikum untersuchen lassen, erklärte der Ärztliche Direktor Hans-Jürgen Wietoska. Das Klinikum habe die Produkte von Ranier nicht zu besonderen Konditionen eingekauft und keinen besonderen Rabatt bekommen, sagte Geschäftsführer Holger Glienke.
Das Klinikum wies einen NDR-Bericht zurück, wonach der Chefarzt der Wirbelsäulenchirurgie enge Beziehungen zum Hersteller gepflegt habe. Der Mediziner versicherte, keine Honorare von Ranier für die Teilnahme an Workshops bei Tagungen der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft bekommen zu haben. Dabei sei es um Erfahrungen mit Implantaten für Lendenwirbel und die Halswirbelsäule von Ranier gegangen. Für beide Produkte lägen bis heute keine Sicherheitswarnungen vor.
Mehrere Patienten erhoffen sich jetzt nach schmerzhaften Operationsfolgen Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld und haben einen Papenburger Rechtsanwalt eingeschaltet. Dieser rechnet sich gute Chancen aus, da der Prothesenhersteller haftpflichtversichert sei.
Text und Foto: dpa /fw