Fast jedes dritte Kind kommt in Nordrhein- Westfalen per Kaiserschnitt zur Welt. Dabei liegen die Raten regional zwischen 24 (Rhein-Sieg-Kreis) und 43 Prozent (Kreis Olpe). Dies sei nicht plausibel zu erklären, sagte NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) in Düsseldorf. Laut Weltgesundheitsorganisation sollte die Rate höchstens bei 15 Prozent liegen.
Steffens legte am Montag den Abschlussbericht eines Runden Tisches vor, an dem Regierungs- und Gesundheitsvertreter seit Februar 2014 die Qualität der Geburtshilfe erörtert hatten. Ein Ergebnis: Es gibt zu wenig gesicherte Daten über Schwangerschaft und Geburt. Dazu will die Ministerin eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag geben.
Zudem sollen Modellprojekte in Kliniken gefördert werden, die zeigen, wie die Raten gesenkt werden können trotz allgemeiner Zunahme von Risikoschwangerschaften. So sei es einer Klinik in Coesfeld gelungen, die Rate auf 19 Prozent zu drosseln. Allerdings fehlten ihr infolgedessen eine halbe Million Euro an Einnahmen, berichtete Nicola Bauer, Professorin für Hebammenwissenschaft an der Hochschule für Gesundheit NRW.
Deshalb müsse auch geprüft werden, wie die stark unterschiedlichen Vergütungssätze bei natürlichen Geburten und beim Kaiserschnitt zu rechtfertigen seien und Fehlanreize vermieden werden können. Bei der natürlichen Geburt liegen die Sätze zwischen 1272 und 1790 Euro, beim Kaiserschnitt zwischen 2371 und 4992 Euro.
Seit dem Jahr 2000 ist die Kaiserschnittrate in NRW von 22,5 auf 32,8 Prozent (2014) aller Geburten gestiegen. Etwa die Hälfte der Fälle sei ein vorab geplanter Kaiserschnitt, erläuterte Bauer. Bundesweit lag die Rate im vergangenen Jahr mit 31,8 Prozent leicht niedriger als in NRW, gehörte aber zur europäischen Spitzengruppe. Dabei gäbe es in rund 90 Prozent aller Kaiserschnitt-Indikationen Spielraum.
Einer Studie zufolge wünschten sich maximal fünf Prozent aller Frauen einen Kaiserschnitt, sagte Bauer. Eine Untersuchung aus Niedersachsen, für die eine Million Daten ausgewertet worden sei, zeige aber das krasse Gegenteil: Von allen Frauen, die ohne Risiko in die Geburt gegangen sind, kamen nur acht Prozent ohne jede Intervention heraus – das heißt ohne Schmerzmedikation, Kaiser- oder Dammschnitt.
“Die Interventionsrate sinkt, wenn die Gebärende im Kreißsaal ständig von einer Hebamme betreut und nicht alleine gelassen wird”, sagte Bauer. Das Ministerium will prüfen, ob die eigenverantwortliche Arbeit von Hebammen im Kreißsaal gefördert werden kann.
Text: dpa /fw
Foto: Martin Valigursky / Shutterstock.com