Andreas Beseler hat Multiple Sklerose. Der 50-Jährige aus Hessen gibt aber nicht auf – im Gegenteil: Er schwört auf Extremsport. Er kämpft mit dem Fahrrad gegen die Erkrankung des Nervensystems, organisiert große Touren, sammelt Spenden. Im Kino ist der Film “Die Tour fürs Leben” über ihn und seine Freunde auf ihren langen Strecken im Fahrradsattel zu sehen. “Besi”, so sein Spitzname, will Mut machen.
Einen Termin hat er dick im Kalender stehen: An diesem Sonntag (19. Juni) startet in seinem Wohnort Rodgau-Jügesheim im Rhein-Main-Gebiet wieder eine große Tour. Dieses Mal geht es über rund 1700 Kilometer ins französische St. Tropez. In die Pedale treten knapp über 70 Gesunde und Kranke. Beworben hatten sich viel mehr.
Die Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) begrüßt solche Aktionen. Sie seien wichtig, “um anderen MS-Kranken zu zeigen: Lasst nicht die Flügel hängen”, sagt die DMSG-Sprecherin Gabriele Diedrich. “Sport ist grundsätzlich gut.” In Deutschland gebe es rund 200 000 Menschen, die an MS erkrankt sind.
Wer Beseler zu Hause in Jügesheim besucht, sieht schon mal eines seiner Sport-Fahrräder vor der Wohnungstür stehen. Die Geschichte seiner Krankheit lässt ihn nicht los. Die Diagnose kam 1992, erzählt er. “Ich war voll in Aktion.” Dann kam alles anders. “Am Anfang konnte ich kaum laufen”, erinnert er sich. Inzwischen hat er die Sportplakette des Landes Hessen verliehen bekommen.
Rad statt Rollstuhl nennt er sein Projekt, “ein Mutmacher-Projekt im Kampf gegen MS.” Vor mehr als 20 Jahren habe ihn ein Freund auf ein Mountainbike gesetzt. “Er hat mich am Sattel gehalten wie ein Kind.” Fahrradfahren falle ihm leichter statt laufen.
Den Film “Die Tour fürs Leben” über eine Etappenfahrt nach Barcelona hat der Darmstädter Filmemacher Christian Gropper gedreht, der schon Fernsehbeiträge über Beseler gemacht hat. Der Streifen läuft bundesweit in Kinos. “Wir nennen ihn einen Mut-Mach-Film. Die Botschaft: Nicht so schnell jammern, nicht so schnell aufgeben. Weitermachen,” sagt Gropper. “Der Erfolg des Films hat uns völlig überrascht.”
Beseler rührt die Werbetrommel für seine Projekte, Spenden gehen an die Nathalie-Todenhöfer-Stiftung, die sich für MS-Kranke einsetzt. “Multiple Sklerose ist die Krankheit der 1000 Gesichter”, sagt er. “Jeder muss selbst herausfinden, was ihm guttut.”
Er erinnert sich noch genau, wie es mit der Krankheit anfing. “Zuerst wurde meine rechte Hand zur Hälfte taub”, erzählt er. “Dann bekam, ich Schmerzen und Taubheitsgefühle von der rechten Po-Seite das ganze Bein runter. Das ging Ruck-Zuck.” Inzwischen hat er einen festen Tagesablauf: Jeden Tag macht er zwischen dreieinhalb und fünf Stunden Sport – oder Langstreckenfahrten mit dem Fahrrad. “Ohne Fitnessstudio geht kein Urlaub. Kaum im Hotel, gehe ich gleich Sport machen. Bewegung hilft mir bis jetzt noch gegen die Versteifung und die Spastik.”
Extremsportler wie Beseler gibt es nach Auskunft der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (MSG) öfter. Die Organisation stellt auf ihrer Internet-Seite solche und auch noch andere “Mutmachgeschichten” vor.
“Es ist relativ neu, dass auch die Schulmedizin sagt, bei MS hilft auch Sport”, sagt Monika Dettke von der DMSG Hessen. Der Landesverband will “MS und Sport” zum Thema des Ende Juni erscheinenden neuen Mitgliedermagazins “dabei” machen. In einem dafür geplanten Interview gibt Beseler den Rat: “Daheim auf der Couch würde es mir dreckiger gehen”. Dettke rät: “Es geht aber auch darum, dass man sich fordert, aber nicht überfordert”.
Auch Filmemacher Gropper hat die neue Fahrrad-Tour im Kalender. “Ich werde ein Stück mitfahren, wenn ich da bin”, sagte er. “Besi hat es geschafft, dass ich mir ein Rennrad gekauft habe.”