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Experten wollen Notfallversorgung im Grenzgebiet verbessern

Mal kurz über die Grenze an Oder und Neiße zum Einkaufen, Tanken oder Arbeiten – kein Problem. Anders sieht es bei Unfällen oder medizinischen Krisen aus, wenn schnelle ärztliche Hilfe gefragt ist.

Mal kurz über die Grenze an Oder und Neiße zum Einkaufen, Tanken oder Arbeiten – kein Problem. Anders sieht es bei Unfällen oder medizinischen Krisen aus, wenn schnelle ärztliche Hilfe gefragt ist.

Die Notfallmedizin entlang der deutsch-polnischen Grenze weist nach Experteneinschätzung große Lücken auf. Die Wege in Kliniken beiderseits der Oder seien oftmals zu lang, klagte der ärztliche Direktor des Klinikums Frankfurt, Thomas Funk.

Eine gegenseitige Unterstützung, indem die nächstgelegene Klinik auf der anderen Flussseite angesteuert werde, scheitere regelmäßig an Kooperationsverträgen. “Wenn ich auf der A11 bei Stettin verunglücke, eine Hirnblutung erleide, möchte ich nicht nach Greifswald oder Rostock gebracht werden, sondern nach Stettin”, sagte Funk. Jede Minute zähle im Wettlauf mit der Zeit.

Gleiches gelte für die polnische Seite. “Wenn jemand in Slubice verunglückt, ist Frankfurt am dichtesten”, erklärte er. Die Versorgung sei zwar möglich. Die polnische Krankenkasse übernehme jedoch die Kosten nicht. Das Frankfurter Klinikum sei in der Vergangenheit regelmäßig auf den Ausgaben sitzengeblieben. Pro Fall waren das schon bis zu 20 000 Euro. “Wir brauchen dringend ein bilaterales Abkommen, die diese Lücke schließt”, forderte Funk.

Unterstützung erhält er von Joanna Jozefiak. Seit Jahren kämpft die 39-Jährige aus Frankfurts Nachbarstadt Slubice dafür, dass sich die medizinische Versorgung in der gesamten Grenzregion verbessert. “Es kann nicht sein, dass es darauf ankommt, auf welcher Seite der Oder einem polnischen Bürger ein Unglück passiert”, betonte die studierte Betriebswirtin.

Erleide ein polnischen Bürger auf deutscher Seite Verletzungen, würden die Behandlungskosten übernommen. Erkranke er dagegen in Slubice und wolle jenseits der Grenze behandelt werden, sei das nicht so, kritisierte Jozefiak. “Wenn die kleine Klinik der Grenzstadt nicht helfen kann, muss sich der Patient auf eine rund 80 Kilometer lange Reise in Richtung Gorzow oder Zielona Gora machen”, sagte sie.

“Weil ich fließend Deutsch spreche, haben mich viele Nachbarn um Rat gefragt. Ich habe beispielsweise bei deutschen Ärzten für sie gedolmetscht.” Hierbei sei sie mit tragischen Erfahrungen konfrontiert worden. So starb der 20-jährige Sohn einer guten Bekannten. Bei einem Motorradunfall zog er sich eine schwere Kopfverletzung mit Hirnblutung zu. “Die nächste neurochirurgische Station in Polen ist von Slubice Stunden entfernt. Hätten wir ihn nach Frankfurt bringen können, wäre er nicht gestorben”, meinte sie.

Aufgrund ihrer Erfahrungen organisierte sie medizinische Kongresse. Später entstand die Idee eines grenzübergreifenden medizinischen Versorgungszentrums “Brandmed” in Slubice, das zu Jahresbeginn eröffnete. Zur Zielgruppe gehören beispielsweise polnische Patienten, die in Deutschland arbeiten und dort krankenversichert sind. “Oftmals trauen sie sich wegen der Sprachbarriere dort nicht zum Arzt”, erklärte Jozefiak. Da komme ihr Zentrum ins Spiel: “Sie werden bei uns untersucht und bekommen – falls notwendig – eine Überweisung in ein deutsches Krankenhaus mit polnischsprachigen Angeboten.”

Umgekehrt stehe ihr Haus auch deutschen Patienten offen, wenn diese beispielsweise lange auf Facharzttermine warten müssten. Allerdings müsste im Vorfeld geklärt werden, ob deutsche Kassen die Kosten übernehmen. Als Selbstzahler ginge das aber problemlos.

Durch die “Brandmed”-Gründung ist die Facharztversorgung in Slubice nach Ansicht von Jozefiak deutlich verbessern worden. Das Problem der Notfallversorgung sei damit aber nicht geklärt. Über Lobbyarbeit versucht sie zusammen mit deutschen Medizinern, Barrieren abzubauen.

Brandenburgs Innenministerium teilte unterdessen mit, dass es möglicherweise im Herbst zu einer Verständigung mit Polen über den Rettungsdienst kommen könnte. Bislang gebe es beispielsweise aus versicherungsrechtlicher Hinsicht viele Hemmnisse, dass Rettungswagen mit Notfallpatienten die Grenze passieren könnten.

In der Vergangenheit mussten Verletzte beispielsweise auf der Frankfurter Stadtbrücke dem deutschen Rettungsdienst übergeben werden, erklärte Jozefiak.