Jedes dritte Land in Europa hat seit dem Jahr 2000 einen Bevölkerungsrückgang erlebt. Dass sich die Geburtenrate weiter im Sinkflug befindet, hängt auch mit der unsicheren wirtschaftlichen Lage auf dem Kontinent zusammen, wie DemographInnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften anhand von Daten des neuesten European Demographic Data Sheet zeigen.
Was haben Malta, Spanien und Italien gemeinsam? In keinem anderen europäischen Staat werden so wenige Kinder geboren wie in diesen drei Ländern. Und selbst in Regionen Europas, die in der Vergangenheit relativ hohe Fertilitätsraten aufwiesen, wie etwa Großbritannien, Schweden oder Belgien, sind die Geburtenzahlen während der "Großen Rezession" in den Jahren 2008 bis 2012 gesunken und auch seither weiter zurückgegangen.
Das sind einige der Ergebnisse aus den Erhebungen eines Teams um WissenschaftlerInnen des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die nun im neuen European Demographic Data Sheet 2020 online veröffentlicht wurden.
Einer der Gründe für die rückläufigen Kinderzahlen: Das Alter, in dem Frauen ihr erstes Kind bekommen, verschiebt sich immer mehr nach hinten. Das heißt: Frauen bekommen in der fruchtbarsten Phase heutzutage seltener Kinder als früher. In einigen Ländern wie Spanien, Italien, der Schweiz oder Irland sind Frauen im Durchschnitt über 30 Jahre alt, wenn sie ihr erstes Kind zur Welt bringen. Zum Vergleich: In Österreich liegt das Durchschnittsalter mit 29,5 Jahren nur geringfügig darunter.
Was die Daten außerdem zeigen: Wie sich eine verschlechternde wirtschaftliche Situation für junge Menschen negativ auf die Familiengründung auswirkt. "Schlecht bezahlte und instabile Arbeitsplätze, unbezahlbarer Wohnraum, sinkende relative Einkommen sowie – Stichwort Klimakrise – Sorgen um die Zukunft: Der anhaltende wirtschaftliche Druck und die Unsicherheiten, mit denen junge Erwachsene in vielen Ländern konfrontiert sind, tragen zu diesem Trend der sinkenden Geburtenraten bei", fasst ÖAW-Demograph Tomáš Sobotka die Ergebnisse zusammen.
Inwiefern die Finanzkrise von 2008 das Einkommen der jüngeren Generationen unterschiedlich traf als das Einkommen der älteren Menschen, wurde von der Wiener Forschungsgruppe ebenfalls erhoben. Dabei wurde das sogenannte altersspezifische Äquivalenzeinkommen für die Bewertung des wirtschaftlichen Wohlergehens verwendet. Mit dem Ergebnis: In zehn von 31 analysierten Ländern mussten junge Erwachsene zwischen 2008 und 2017 wirtschaftliche Einbußen hinnehmen. Am härtesten traf es junge Erwachsene in Griechenland: Sie erlebten mit 40 Prozent den stärksten Einkommensrückgang.
Zwar unterscheiden sich die Daten von Land zu Land, der allgemeine Trend aber lautet: Die Jungen werden ärmer als ihre Eltern. Betrachtet man die Zahlen aus einer Generationenperspektive, ging die relative wirtschaftliche Position junger Menschen zwischen 20 und 39 Jahren im Vergleich zu allen Erwachsenen sogar in 23 von 31 Ländern zurück. Darunter befinden sich neben Österreich alle Länder in West-, Süd- und Nordeuropa mit Ausnahme der Niederlande.
Und: Wie sich eine Wirtschaftskrise, wie sie die Corona-Pandemie ausgelöst hat, auf die demografische Zukunft des Kontinents auswirken wird, das ist in diesen Zahlen noch gar nicht miteingerechnet.