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ESOC: neue Strategien bei Schlaganfall

Die größte internationale Fachtagung zum Thema Schlaganfall ist die jährliche Konferenz der European Stroke Organisation (ESO). Sie fand im Mai 2018 in Göteborg statt. Dieses Jahr wurden unter wesentlicher deutscher Beteiligung wichtige Studien präsentiert, die Eingang in die klinische Praxis finden werden.

Internationale Expertinnen und Experten tagten im Mai in Göteborg

Die größte internationale Fachtagung zum Thema Schlaganfall ist die jährliche Konferenz der European Stroke Organisation (ESO). Sie fand im Mai 2018 in Göteborg statt. Dieses Jahr wurden unter wesentlicher deutscher Beteiligung wichtige Studien präsentiert, die Eingang in die klinische Praxis finden werden: Die WAKE-UP-Studie eröffnet neue Behandlungsmöglichkeiten für Patienten, die im Schlaf einen Schlaganfall erleiden. "Sie belegt erstmals, dass Patienten auch bei unklarem Zeitpunkt des Schlaganfalls – immerhin circa 15 Prozent aller Schlaganfallpatienten – von einer Thrombolyse profitieren können", erklärt Professor Dr. med. Armin Grau, 1. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Die POINT-Studie liefert wichtige Daten, welche Medikamente einen erneuten Schlaganfall nach einem leichten Schlaganfall oder einer kurzen Durchblutungsstörung des Gehirns (TIA) am sichersten verhindern. Die MEGASTROKE-Studie brachte bisher unbekannte genetische Risikofaktoren des Schlaganfalls ans Licht.

Schlaganfall mit unbekanntem Zeitpunkt: MRT identifiziert Patienten für die Thrombolyse

In der WAKE-UP-Studie gelang es erstmals, mittels Magnetresonanztomographie (MRT) geeignete Patienten für die Thrombolyse auszuwählen, ohne den Zeitpunkt des Schlaganfalls zu kennen, zum Beispiel wenn der Schlaganfall im Schlaf auftritt. "Bislang können nur Patienten mit einer Thrombolyse behandelt werden, wenn die Schlaganfall-Symptome innerhalb des Zeitfensters von viereinhalb Stunden aufgetreten sind", sagt Professor Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). In die multizentrische europäische Studie unter der Leitung von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (Professor Dr. Thomalla und Professor Dr. Gerloff) waren Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall und unbekanntem Zeitpunkt des Symptombeginns eingeschlossen, darunter überwiegend Patienten, die den Schlaganfall im Schlaf erlitten und erst nach dem Aufwachen bemerkt hatten. Mittels spezieller MRT-Untersuchungen erfolgte die Auswahl der Patienten. Insgesamt wurden in der Studie 503 Patienten mittels MRT ausgewählt und entweder mit Thrombolyse oder einem Scheinmedikament (Placebo) behandelt. Nach 90 Tagen erreichten 53,3 Prozent der mit Thrombolyse behandelten Patienten ein sehr gutes klinisches Ergebnis, während dies nur bei 41,8 Prozent der Patienten in der Placebogruppe der Fall war. Patienten mit Verschlüssen großer Gefäße wurden nicht in die Untersuchung einbezogen, da sie mit der sogenannten mechanischen Thrombektomie behandelt wurden, bei der das Blutgerinnsel, welches das Blutgefäß verschließt, mit Hilfe eines Katheters geborgen und abgesaugt wird. "Die Erkenntnisse der WAKE-Up-Studie in den praktischen Alltag zu übersetzen wird einige Anstrengung erfordern", kommentiert der DSG-Vorsitzende Grau, "da MRT-Untersuchungen deutschlandweit nicht die primäre Bildgebungsmodalität bei akutem Schlaganfall sind."

Kombinationstherapie als Prophylaxe nach einem leichten Schlaganfall

Amerikanische Wissenschaftler um Professor Dr. Clay Johnston von der Universität Texas stellten in Göteborg die Ergebnisse der internationalen POINT-Studie vor. An dieser Studie nahmen auch Schlaganfall-Zentren in Deutschland teil. 4881 Patienten mit einem leichten Schlaganfall oder einer kurzen Durchblutungsstörung des Gehirns (TIA) mit rasch zurückgebildeten, aber schwerwiegenden Symptomen wurden für 90 Tage entweder mit einer Kombinationstherapie bestehend aus zwei Thrombozytenfunktionshemmern (Aspirin + Clopidogrel) oder mit einer Einfachtherapie (Aspirin) behandelt. Letztere stellt aktuell den Therapiestandard dar, mit dem alle Patienten nach einem Schlaganfall behandelt werden, insofern sie keine orale Antikoagulation benötigen. Die POINT-Studie zeigte, dass die Kombinationstherapie signifikant weniger Schlaganfälle, Herzinfarkte oder vaskuläre Todesfälle nach 90 Tagen (121 von 2432 Patienten, 5 Prozent) zur Folge hatte, verglichen mit der Einfachtherapie (160 von 2449 Patienten, 6,5 Prozent). Interessanterweise traten die meisten Ereignisse innerhalb der ersten Woche nach dem initialen Schlaganfall/TIA auf. Nicht unerwartet führte die Kombinationstherapie zu mehr als doppelt so vielen schweren Blutungen (23, 0,9 Prozent), verglichen mit der Einfachtherapie (10, 0,4 Prozent). Rechnerisch bedeutet dies, bei 1000 Schlaganfall-Patienten könnten 15 erneute Schlaganfälle mit der Kombinationstherapie verhindert werden, allerdings würden fünf schwere Blutungen neu auftreten. "Die Ergebnisse von POINT kommen nicht unerwartet, bestätigen sie doch eine frühere asiatische Studie, die ganz ähnliche Ergebnisse gezeigt hatte", erläutert Schäbitz. "Ob die Ergebnisse eins zu eins in den klinischen Alltag übersetzt werden, kann noch nicht beantwortet werden", kommentiert Professor Dr. med. Hans-Christoph Diener aus Essen, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Leiter der POINT-Studie in Deutschland. "Wahrscheinlich kann auch eine kürzere Dauer der Kombinationstherapie (für circa 30 Tage), mit sukzessive weniger Blutungskomplikationen, wirksam sein", so Diener.

Unbekannte Risikofaktoren für Schlaganfall im Erbgut gefunden

Deutsche Experten präsentierten auf der Konferenz eine weitere interessante Studie: MEGASTROKE ist die bislang größte Untersuchung ihrer Art zur genetischen Prädisposition für einen Schlaganfall. Ein internationales Forschungskonsortium um Professor Dr. med. Martin Dichgans, 2. Vorsitzender der DSG, hat nun in einer genomweiten Assoziations-Studie das Erbgut von mehr als 520.000 Individuen auf mögliche genetische Risikofaktoren untersucht. Die Analyse zeigte insgesamt 32 Genorte, die mit einem Schlaganfall in Verbindung stehen – rund dreimal so viele wie bisher bekannt. Die Studie zeigte, dass viele der 32 Genorte in Teilen mit Erbgutabschnitten übereinstimmen, die mit anderen Erkrankungen assoziiert sind, wie zum Beispiel mit Bluthochdruck, der Hyperlipidämie – also dem erhöhten Aufkommen von Cholesterin im Blut, dem Vorhofflimmern oder der koronaren Herzkrankheit. Genvarianten also, die beispielsweise zu Bluthochdruck führen, kommen auch als Auslöser eines Schlaganfalls in Frage. "Überraschend ist jedoch, dass sich für die Hälfte der 22 neu gefundenen Genorte keine Überlappung zu bisher bekannten Risikofaktoren finden lässt", sagt Professor Dr. Dichgans. Dies deutet auf neue, bislang unbekannte Ursachen hin, die einen Schlaganfall auslösen – und womöglich auf Zielpunkte neuer Therapien. Interessanterweise zeigte die Studie auch gemeinsame genetische Risikofaktoren für die beiden Hauptformen des Schlaganfalls durch Überlappungen der Genorte, die zum Risiko für einen Schlaganfall infolge eines Gefäßverschlusses beitragen, und solchen, die mit dem Riss eines Blutgefäßes assoziiert sind. Dieses deutet auf gemeinsame Entstehungsmechanismen hin, unabhängig von bekannten Risikofaktoren, wie beispielsweise einem Bluthochdruck.

Quellen:

Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)

Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)