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Erste medizinische Cannabis-Lieferung aus Neumünster im ersten Halbjahr 2021

Plantage unter Rotlicht: In einer Halle in Neumünster blühen ganz legal Tausende Cannabis-Pflanzen. Im ersten Halbjahr will eine Firma in Schleswig-Holstein erstmals Cannabis zu medizinischen Zwecken ernten.

16.000 Tonnen Stahlbeton, 24 Zentimeter dicke Außenwände, Bodendetektoren und Sensoren sorgen für Sicherheit

Plantage unter Rotlicht: In einer Halle in Neumünster blühen ganz legal Tausende Cannabis-Pflanzen. Im ersten Halbjahr will eine Firma in Schleswig-Holstein erstmals Cannabis zu medizinischen Zwecken ernten.

Sie ist nach dem berühmten englischen Premierminister Winston Churchill (1874-1965) benannt und gilt in der Wirkung als ausgewogen: Nein, es ist keine Zigarre. Es handelt sich um eine Cannabis-Pflanze, die hinter dicken Stahlwänden in einer Anlage für medizinisches Cannabis in Neumünster wächst. Churchills Blüten beinhalten je fünf bis neun Prozent THC (Tetrahydrocannabinol) und Cannabidiol (CBD). In den Sorten Great Bear und Bienville ist der THC-Gehalt deutlich höher. "Im ersten Halbjahr wollen wir das erste Mal liefern", sagt Aphria-Geschäftsführer Hendrik Knopp.

Wer zu Churchill vordringen will, muss in der hoch geschützten Anlage in Schleswig-Holstein mehrere Sicherheitsstufen passieren. Erst geht es durch eine Luftschleuse. Ein 20 Sekunden währender starker Luftstrom soll dort eine mögliche Kontamination der ein Dutzend Pflanzkammern verhindern. Der niederländische Chefanbauer Han Duijndam und seine knapp zehn MitarbeiterInnen betreten die Kammern nur in Schutzkleidung.

So sicher wie Fort Knox

Nach draußen sorgen fast 16.000 Tonnen Stahlbeton, 24 Zentimeter dicke Außenwände sowie Bodendetektoren und Sensoren für Sicherheit. Sie registrieren, wenn sich jemand der Anlage nähert. "Das ist Fort Knox hier", sagt Produktionsleiter Thorsten Kolisch. Aussortierte Cannabis-Pflanzen werden zerhäckselt und verbrannt, die Exkremente der MitarbeiterInnen werden nach dem Toilettengang geschreddert.

Seit 2017 können sich PatientInnen Cannabis für medizinische Zwecke regulär ärztlich verschreiben lassen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat neben Aphria RX aus Neumünster auch den Unternehmen Aurora und Demecan den Anbau erlaubt. Insgesamt geht es um 10,4 Tonnen.

2021 und in drei Folgejahren sollen jeweils eine Tonne medizinisches Cannabis angebaut werden

Allein in Schleswig-Holstein verschreiben ÄrztInnen rund 1.000 PatientInnen regelmäßig medizinisches Cannabis in der Schmerztherapie, wie der Geschäftsführer der Apothekerkammer, Frank Jaschkowski, sagt. Es komme nicht nur bei der Krebsbehandlung, sondern auch bei Krampf- und Anfallsproblemen zum Einsatz. "Wenn sie gut drauf sind, dann tut es nicht so weh." Medizinisches Cannabis wird nicht im Joint geraucht, sondern verdampft.

In Neumünster soll in diesem und den drei Folgejahren jeweils gut eine Tonne medizinisches Cannabis angebaut werden. "Mehr als viermal pro Jahr können wir die Blüten pro Kammer ernten", sagt Knopp. Möglich macht dies ein Schnelldurchlauf. Natürliches Sonnenlicht sehen die ersten 150 Mutterpflanzen der Sorte Churchill und die Pflanzen der anderen Sorten Great Bear und Bienville nie. Sie wurden aus Kanada importiert.

Künstlicher Sonnenschein bis zu 18 Stunden am Tag

Stattdessen simulieren LED-Lampen in acht Blühkammern Sonnenauf- und -untergänge. Bis zu 18 Stunden lang scheint die künstliche Sonne bei bis zu konstanten 28 Grad Celsius. Ideale Wachstumsbedingungen. Zwei Blockheizkraftwerke mit je knapp 1.000 Megawatt Leistung sorgen für die nötige Energie.

"Tatsächlich könnte grundsätzlich jeder Cannabis im Keller anbauen oder ein, zwei Pflanzen auf dem Balkon, wenn es rechtlich erlaubt wäre", sagt Knopp. Medizinisches Cannabis mit konstant hohem THC- und CBD-Anteil, wie er für die medizinische Versorgung erforderlich ist, sei jedoch deutlich schwieriger anzubauen. "Den kleinen Schimmel oder sonstige Verunreinigungen an der Blüte sieht ein kleiner Anbauer gar nicht."

12.000 Quadratmeter große Plantage

Optisch erinnern die 50 Zentimeter hohen Pflanzen wegen der für ihre Größe dicken Stämme an Bonsai. Für jede Lebensphase versorgt Chefanbauer Duijndam sie mit spezieller Nährlösung. Diese landet über einen Schlauch direkt an den Wurzeln. Der Niederländer hat etwa 40 Jahre Berufserfahrung, baut aber erstmals Cannabis an. Vor wenigen Tagen setzte er mit seinem Team die ersten Setzlinge ein. "Er ist wahrscheinlich einer der wenigen Holländer, der Cannabis noch nie probiert hat", sagt sein Chef Knopp.

Mit einem zweistelligen Millionenbereich gibt das nordamerikanische Unternehmen die Investitionssumme für die 12.000 Quadratmeter große Plantage an. "Es ist die sicherste und modernste Anlage der Welt", sagt Knopp. Und die habe Reserven. "Wir können hier jährlich drei bis vier Tonnen medizinisches Cannabis produzieren."