Von einem ersten Rückschlag haben sich deutsche Chirurgen nicht entmutigen lassen: Seit 25 Jahren verpflanzen sie Herz und Leber gleichzeitig. Probleme gibt es von anderer Seite.
Eine hochdramatische Operation: Ein Herz- und ein Leberspezialist geben alles, um einen todkranken Patienten mit gleich zwei Spenderorganen zu retten. Vor 25 Jahren, am 15. Mai 1993, wurden im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) erstmals in Deutschland ein Herz und eine Leber gleichzeitig verpflanzt. Das ist nicht nur ein Grund zum Feiern.
Der 35 Jahre alte Patient litt an einer sogenannten Stauungszirrhose, einem Rückstau von Blut in der Leber, der durch eine Herzschwäche hervorgerufen wurde. Ursache war eine Herzmuskelerweiterung. Der Mann habe sogar schon Wasser im Bauch gehabt, sagt der damals beteiligte Hamburger Chirurg Peter Kalmár (83). Zwischen 1984 und seiner Emeritierung 1998 hat er nach eigenen Angaben 50 bis 60 Herzen transplantiert.
In einer dramatischen Suche über Eurotransplant fanden sich zwei geeignete Organe bei einem 42 Jahre alten Spender in Aachen. Am Vormittag jenes 15. Mai wurden ihm Leber und Herz entnommen, am Nachmittag wurden sie dem Patienten im UKE eingesetzt. Zunächst erledigte Kalmár seine Aufgabe, dann übernahm ein Kollege die Implantation der Leber. Gegen Mitternacht war der Eingriff beendet. Der Patient befinde sich in einer stabilen Verfassung, teilte die Klinik wenige Tage später mit. Eine erfolgreiche Doppeltransplantation dieser Art war zuvor nur bei Kindern in den USA gelungen.
Doch zwei Wochen später starb der 35-Jährige an einem "medizinisch nicht mehr zu beherrschenden Vielfachorganversagen", wie es damals hieß. Kalmár erinnert sich, dass es zuvor eine unangenehme Auseinandersetzung zwischen den Ärzten über die therapeutischen Strategien gegeben habe. Nach einer solchen Doppeltransplantation bräuchten die beiden Organe eine unterschiedliche Behandlung. Zur Unterstützung der Leber müsse der Kreislauf mit Medikamenten gepusht werden, damit der Blutdruck steige. Doch für das eingepflanzte Herz sei genau das schädlich, erläutert Kalmár. Er glaubt aber nicht, dass der Konflikt um die richtige Therapie zum Tod des Patienten beitrug. "Der Organismus war in einem Schockzustand." Außerdem seien damals die künstlichen Herzunterstützungssysteme noch nicht so weit entwickelt gewesen.
Trotz des anfänglichen Misserfolgs werden in seltenen Fällen immer noch derartige Doppeltransplantationen in Deutschland gemacht, allerdings seien es weniger als zehn pro Jahr, sagt der Leiter der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am UKE, Prof. Hermann Reichenspurner. In Hamburg fand die letzte im vergangenen Jahr statt. Auch Reichenspurner spricht von einem extrem großen Eingriff, der bis zu 15 Stunden dauern könne.
Die Doppeltransplantation habe für den Patienten aber auch einen besonderen Vorteil. Die Abstoßungsreaktion des Herzens falle schwächer aus, weil die Leber die Immunreaktion auf sich ziehe. "Das Herz wird ein bisschen in Ruhe gelassen", erklärt Reichenspurner. Grundsätzlich seien diese Folgen einer Tranplantation aber gut mit Medikamenten zu behandeln.
So ist der Mangel an Organspenden weiterhin das Hauptproblem. Angesichts der Not arbeiteten Wissenschaftler in Deutschland fieberhaft an der Entwicklung künstlicher Organe, sagt Reichenspurner. Eine Alternative zu Spenderorganen seien diese aber noch lange nicht. Reichenspurner und Kalmár wollen nicht darauf setzen, dass irgendwann mehr Menschen freiwillig einen Spenderausweis ausfüllen. Sie sprechen sich für die Einführung der sogenannten Widerspruchslösung aus, das heißt, jeder Mensch gilt als potenzieller Organspender, sofern er nicht zu Lebzeiten widerspricht. Spanien und Österreich hätten auf diese Weise den Mangel an Spenderorganen erfolgreich überwunden. Auch die Niederlande haben ein entsprechendes Gesetz seit Anfang des Jahres.