Kassenärztliche Vereinigungen haben eine Patientengebühr ins Gespräch gebracht, um überfüllte Notaufnahmen von Kliniken zu entlasten. "Wir müssen die Patientenströme besser organisieren und leiten", sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Detlef Haffke, am Montag. Die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) fordert eine solche Gebühr nicht nur für die Notaufnahme, sondern für jeden Arztbesuch. Seit Jahren gehen viele Menschen auch mit leichten Beschwerden abends oder an Wochenenden direkt ins Krankenhaus, statt die Telefonnummer 116 117 für den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu wählen.
"Unser größtes Anliegen ist, die Nummer ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen", sagte Haffke. Für das kommende Jahr sei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auch eine Notfall-App geplant. Eine neue Gebühr für die Behandlung in der Notaufnahme einer Klinik sei problematisch, räumte der KVN-Sprecher ein, dennoch müsse man über dieses Steuerungsinstrument nachdenken. Die 2004 eingeführte und heftig umstrittene Praxisgebühr für Kassenpatienten war nach acht Jahren zu Beginn 2013 abgeschafft worden.
Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann plädiert dafür, die Bevölkerung besser über den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Mediziner zu informieren. "Ich halte nichts davon, dass Patientinnen und Patienten vor Betreten der Notaufnahme künftig ein Eintrittsticket lösen müssen", sagte die SPD-Politikerin am Montag. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, rief die Kassenärzte auf, zunächst vor der eigenen Haustür zu kehren. So werde seit Jahren die Zahl der Hausbesuche reduziert.
Der Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG), Helge Engelke, ist gegen eine neue Patientengebühr und setzt auf Aufklärung statt auf Abschreckung und Sanktionen. "Für viele Bürger ist das Krankenhaus die erste Idee", sagte er. "Die Inanspruchnahme ist gleichbleibend hoch." Dabei sei die Notaufnahme nur für Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen gedacht, bei denen anschließend eine stationären Versorgung notwendig ist.
Neben der besseren Aufklärung sieht Ministerin Reimann eine Lösung in den Kliniken vorgeschalteten Portalpraxen, die abklären, ob überhaupt ein Notfall vorliegt oder nicht. Dazu gebe es vielversprechende Modellversuche, etwa in Braunschweig oder Hannover, sagte Reimann. Am Klinikum Braunschweig sind werktags zwischen 10 und 14 Uhr zwei Hausärzte in der Notaufnahme tätig, die Patienten mit leichteren Beschwerden behandeln. An Wochenenden übernimmt diese Aufgabe der Kassenärztliche Bereitschaftsdienst. Das Projekt bringe eine deutliche Entlastung, sagte Klinikum-Sprecher Thomas Warnken.
Bereits an 68 Krankenhäusern in Niedersachsen sind der KVN zufolge ärztliche Bereitschaftspraxen angegliedert zum Beispiel zentral am neuen Agaplesion Ev. Klinikum Schaumburg in Obernkirchen. Diese sind allerdings - anders als die Modellprojekte - nicht tagsüber, sondern nur zu den Bereitschaftszeiten abends ab 17 Uhr und am Wochenende besetzt.
Die Gesundheitsexpertin der Grünen im niedersächsischen Landtag, Meta Janssen-Kucz, nannte den Vorschlag der Kassenärztlichen Vereinigungen "absurd". "Die Patientinnen und Patienten dürfen nicht für die strukturellen Probleme im Gesundheitssystem verantwortlich gemacht werden", sagte die Abgeordnete.