Fast sechs Millionen Menschen leiden in Deutschland an Migräne. Wiederkehrende pulsierende Kopfschmerzen, Übelkeit und Lichtempfindlichkeit beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen sehr. Digitale Angebote wie Kopfschmerz-Apps oder das Kopfschmerzregister der DMKG können die Therapie auf vielfältige Weise unterstützen, sagen Fachleute auf der Online-Pressekonferenz zum Deutschen Schmerzkongress 2020, die am Mittwoch, den 21. Oktober von 11 bis 12 Uhr, stattfindet. Sie geben Tipps, wie digitale Technik in der Kopfschmerzmedizin sinnvoll und hilfreich eingesetzt werden kann.
Gibt man im App-Store das Wort "Kopfschmerz" ein, so erhält man unzählige Treffer. Doch was ist sinnvoll, was wirklich nützlich? Und welche digitalen Angebote können wirksam in der Migräne-Therapie eingesetzt werden? "Das Führen eines Kopfschmerzkalenders, notwendig für die Überprüfung des Effekts der Behandlung, fällt vielen Kopfschmerzpatienten mit einer App deutlich leichter als mit der Papierversion", erklärt Dr. med. Ruth Ruscheweyh, zertifizierte DMKG-Kopfschmerzexpertin vom Klinikum der Universität München. Mit Hilfe eines solchen Kalenders bekommen ÄrztInnen und PatientInnen einen Überblick über Schmerztage, Häufigkeit der Schmerzmitteleinnahme, Schmerzstärke und Begleitsymptome und können so beurteilen, ob die Therapie anschlägt. Gute Apps ermöglichen das Herunterladen eines übersichtlichen Reports mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Daten, der verschickt, ausgedruckt, und ärztlich besprochen werden kann.
Aber die kleinen Programme können noch viel mehr: Die Migräne-App der Schmerzklinik Kiel zum Beispiel setzt zusätzlich auch auf Patientenschulung, warnt vor Medikamentenübergebrauch und berechnet den Zeitpunkt, zu dem PatientInnen das Migränemittel Triptan einnehmen sollten. M-sense, eine Migräne-App der Newsenselab GmbH, erfasst neben dem Kopfschmerzkalender täglich verschiedene mögliche Auslöser – und kann so nach einer gewissen Zeit Vorhersagen über individuelle Trigger machen.
Ein weiterer Ansatzpunkt in der Digitalisierung des Kopfschmerzmedizin ist das Kopfschmerzregister der DMKG, das im Juni 2020 gestartet ist. "Hier geben Patienten vor ihrer Erstvorstellung beim Arzt und bei jeder Wiedervorstellung wichtige Informationen über ihre Kopfschmerzen in ein webbasiertes Patientenportal ein. So kann der Verlauf der Behandlung optimal verfolgt werden", erklärt Ruscheweyh. Zusätzlich wird empfohlen, dass PatientInnen die DMKG-App als Kopfschmerzkalender nutzen. Diese Informationen stehen behandelnden ÄrztInnen in der Sprechstunde dann übersichtlich zusammengefasst, auch mit Verlaufsgrafiken, im Arztportal zur Verfügung. Erstes Ziel des Kopfschmerzregisters sei es, so die Expertin, die Versorgungsqualität durch Unterstützung der ÄrztInnen bei der Behandlung von KopfschmerzpatientInnen zu verbessern. Zusätzlich gehen die eingegebenen Daten in anonymisierter Form auch in eine Datenbank ein, die zur Beantwortung von wissenschaftlichen Fragestellungen – etwa aus der Versorgungsforschung – genutzt werden soll. Zum Beispiel könne man so herausfinden, wie viele PatientInnen, die eigentlich eine vorbeugende Kopfschmerzbehandlung benötigen, auch tatsächlich eine bekommen.
Neben der Digitalisierung in der Kopfschmerzmedizin ist passend zum diesjährigen Kongress-Motto
"Gleich und doch verschieden" auch die individualisierte Schmerztherapie Thema der virtuellen Veranstaltung. Die ReferentInnen informieren beispielsweise über die Antikörpertherapie in der Schmerzmedizin und über das Projekt PAIN2020. Zudem geht es um den Einsatz von Opioiden in der Schmerzmedizin.