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Einige Ärzte verschreiben einfach keine Statine

Studie legt zu geringen Einsatz von Statinen bei Patienten mit Diabetes offen – trotz nachgewiesener kardioprotektiver Wirkung. Beinahe zwei von fünf Menschen mit Diabetes erhalten heutzutage keine Statin-Therapie, obwohl sie damit nachweislich ihr Risiko für künftige Herzinfarkte, Schlaganfälle und somit auch Todesfälle reduzieren könnten.

Studie legt zu geringen Einsatz von Statinen bei Patienten mit Diabetes offen – trotz nachgewiesener kardioprotektiver Wirkung.

Beinahe zwei von fünf Menschen mit Diabetes erhalten heutzutage keine Statin-Therapie, obwohl sie damit nachweislich ihr Risiko für künftige Herzinfarkte, Schlaganfälle und somit auch Todesfälle reduzieren könnten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die unlängst in dem Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht wurde. Die Analyse offenbarte darüber hinaus große Unterschiede bezüglich der Anwendung von Statinen innerhalb der kardiologischen Praxen, die in die Arbeit eingeschlossen wurden.

Frühere Studien haben gezeigt, dass die Statin-Einnahme das Risiko für zukünftige kardiovaskuläre Erkrankungen bei Menschen mit Diabetes signifikant senken kann. Die Wissenschaftler sagen, dass die neue Studie eine der ersten sei, welche in dieser bestimmten Patientenpopulation die Trends der Verwendung von Statinen unter realen Bedingungen untersucht. Sie soll dabei helfen, über Nutzen und Risiken zu informieren, um die Leistungen von Arztpraxen und letztlich auch die Patientenergebnisse zu verbessern. Salim Virani ist Kardiologe am Michael E. DeBakey VA Medical Center und leitender Autor der Studie.

Patienten mit Diabetes haben ein sehr hohes Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Darüber hinaus haben sie im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes ein erhöhtes Sterberisiko. Statine können das Risiko für solche Szenarien nachweislich senken. In der Studie fand die Arbeitsgruppe von Salim Virani jedoch heraus, dass ganze 38 Prozent der Patienten mit Diabetes das potentiell lebensrettende Medikament von ihrem niedergelassenen Kardiologen nicht erhielten.

Im Durchschnitt unterschied sich die Häufigkeit der Verschreibung um 57 Prozent zwischen zwei Praxen.

Auch wenn Patientenfaktoren wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Bluthochdruck, hoher Cholesterinspiegel, Tabakkonsum und Versicherungsschutz berücksichtigt wurden, variierte die Verschreibung von Statinen innerhalb der verschiedenen Praxen um 57 Prozent. Das bedeutet, dass zwei vergleichbare Patienten in zwei verschiedenen Praxen mit einer unterschiedlichen Wahrscheinlichkeit Statine verschrieben bekommen haben. Im Durchschnitt unterschied sich die Häufigkeit der Verschreibung um 57 Prozent zwischen zwei Praxen.

Im Vergleich dazu ergab eine frühere Analyse zu Statinen bei Patienten mit Diabetes im VA Medical Center eine Variation von lediglich 20 Prozent. Laut Virani ist dies am ehesten das Ergebnis konsequenter Pflege, einheitlicher Protokolle und Informationstechnologien. Faktoren, die sich meist von einzelnen kardiologischen Praxen unterscheiden.

Derart große Unterschiede offenbaren die bemerkenswerte Kluft zwischen Leitlinien-Empfehlungen und der realen medizinischen Praxis. Gesundheitsdienstleister behandeln ähnliche Diabetes-Patienten unterschiedlich. Während eine gewisse Variation in Ordnung ist, sind die in der Studie entdeckten Unterschiede besorgniserregend und könnten am Ende die klinischen Ergebnisse entscheidend beeinflussen – zum Negativen in diesem Falle.

Statin für über 40-Jährige mit Diabetes empfohlen

Im November 2013 veröffentlichte das American College of Cardiology gemeinsam mit der American Heart Association Richtlinien, die besagen, dass eine Statin-Therapie bei allen Diabetes Patienten in einem Alter zwischen 40 und 75 Jahren indiziert ist, deren LDL-Cholesterinspiegel über 70 mg / dl liegt. Die Empfehlungen entstanden auf Basis einer Risikobewertung für die Entwicklung von Herz-Kreislauferkrankungen. Die American Diabetes Association empfiehlt die Verwendung eines Statins, um Veränderungen im Lebensstil bei über 40-jährigen Menschen mit Diabetes zu ergänzen. Die Empfehlung gilt unabhängig vom Ausgangs-LDL-Cholesterinwert oder bestehenden kardiovaskulären Erkrankungen.

Die Forscher untersuchten die Variationen in der Statin-Therapie bei 40 bis 75-jährigen Patienten mit Diabetes zwischen Mai 2008 und Oktober 2013 (bevor die aktuellen Richtlinien herausgegeben wurden). Alle Patienten stammen aus dem PINNACLE Register des American College of Cardiology. Dabei handelt es sich um ein nationales, ambulant geführtes Register. Es soll der Qualitätsverbesserung medizinischer Dienstleistungen dienen, indem es Daten direkt aus elektronischen Patientenakten extrahiert. Für die Studie legte man fest, dass der Gebrauch von Statin immer dann vorlag, wenn einem Teilnehmer ein entsprechendes Rezept ausgestellt wurde und dies in seiner elektronischen Akte dokumentiert wurde. Insgesamt wurden 215.193 Patienten (582.048 Begegnungen) aus 204 kardiologischen Praxen in die Analyse mit einbezogen. Im Vergleich zu Patienten, die keine Statine erhielten, hatten die Konsumenten des Medikaments eine höhere Prävalenz für kardiovaskuläre Risikofaktoren, bekamen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine zusätzliche cholesterinsenkende Therapie (nicht-Statin-Therapie) (28 vs. 13 Prozent) und hatten im Durchschnitt niedrigere LDL-Cholesterinwerte (90 mg / dL vs. 103 mg / dL).

Ergebnisse sogar laut veraltetem LDL-Zielwert schlecht

Um die Relevanz der Studienergebnisse im Lichte der sich verändernden klinischen Leitlinien zu beurteilen, werteten die Forscher auch die Ergebnisse und Praxisvariationen bei Patienten aus, deren LDL-C bei unter 100 mg / dl lag. Ein Niveau, das laut der früheren ATP III-Richtlinie das allgemein akzeptierte Behandlungsziel darstellte. Auch unter Beachtung dieses mittlerweile veralteten LDL-Zielwerts, war das Niveau der Praxis-Variation dem der eigentlichen Studienergebnisse anhand der aktuellen Richtlinien sehr ähnlich (57,7 und 47 Prozent) und dementsprechend schlecht. Laut Virani legt diese Erkenntnis nahe, dass die Ergebnisse nicht nur davon abhängig sind, welche Guidelines verwendet werden, um die Qualität der Versorgung zu bestimmen.

Die Forscher betonen, dass die Ergebnisse auf die dringende Notwendigkeit hinwiesen, die nationalen Anstrengungen zu intensivieren, sodass ein Leitlinien-gerechter Einsatz von Statinen bei Patienten mit Diabetes zukünftig gewährleistet wird. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre, wenn Patienten und Ärzte bei jeder passenden Gelegenheit über die individuellen Risiken und Möglichkeiten zur Prävention reden würden. Dabei sollte das Hauptaugenmerk stets auf der Prävention von Herzinfarkten, Schlaganfällen sowie Todesfällen liegen.

Wenn diese Art von Diskussion häufiger stattfinden würde, wäre auch die Wahrscheinlichkeit für den Patienten höher, eine Evidenz-basierte Therapie, einschließlich Statinen, zu erhalten – so die Autoren. Wenn die Statine dann einmal vorordnet sind, ist es wichtig, dass die Patienten sie wie vorgeschrieben einnehmen und alle auftretenden Probleme ihrem Arzt melden. Statine wirken auf unterschiedliche Art und Weise. Ein elementarer Effekt ist die Beseitigung von Cholesterin und die Verhinderung vom Aufbau atherosklerotischer Plaques in den Arterien. Darüber hinaus haben Statine eine anti-entzündliche Wirkung. Generell ist das Medikament gut verträglich, kann aber in seltenen Einzelfällen zu schwerwiegenden Komplikationen wie der Rhabdomyolyse führen.

Während durch den Praxisbesuch der Studienteilnehmer eine unbemerkte kardiovaskuläre Erkrankung nahezu ausgeschlossen werden konnte, ist es durchaus vorstellbar, dass einige von ihnen ein anderes akutes kardiologisches Problem hatten und deswegen nicht die allgemeine Diabetespopulation repräsentieren.

Virani kommentierte, dass die wichtigsten nächsten Schritte zur Verbesserung der Leitlinien-gerechten Statin-Gabe seien, Barrieren bei der Statin-Gabe und Wirkung zu identifizieren sowie automatische Warnungssysteme in elektronischen Patientenakten und Entscheidungshilfen in der Diagnostik zu etablieren.