Findet die Sprechstunde demnächst nicht mehr in der Arztpraxis, sondern im Internet statt? Und gehen wir zukünftig viel seltener zum Arzt, weil uns Apps sagen, woran wir leiden? Fragen wie diese sind höchst aktuell – denn die Digitalisierung hält Einzug im Gesundheitswesen.
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) setzt sich dafür ein, dass diese Entwicklung an den Bedürfnissen der Patienten und ihrer Behandlung ausgerichtet wird. Hierzu stellt das Bündnis auf seiner 13. Jahrestagung Projekte vor und bietet die Möglichkeit zur Diskussion. Die Tagung findet am 3. und 4. Mai 2018 in Berlin statt.
Schon jetzt nutzen über die Hälfte der Patienten in Deutschland Gesundheits-Apps. Doch deren Sicherheit ist umstritten – und allgemeine Kriterien zur Orientierung fehlen häufig. "Wir haben hier Handlungsbedarf gesehen und eine Checkliste zu Gesundheits-Apps erstellt, mit der Patienten prüfen können, welche digitalen Angebote sicher sind und welche weniger", sagt Hardy Müller, Geschäftsführer des APS. Er wird die Checkliste auf der Jahrestagung vorstellen. Zudem präsentiert er eine neue Handlungsempfehlung für das Risikomanagement in Gesundheitseinrichtungen. "Mittlerweile sind viele Prozesse im Gesundheitswesen – wie etwa das Risikomanagement – digitalisiert. Eine sichere Anwendung und auch der momentane Ausbau erfordern Kenntnisse und eine besondere Sorgfalt", so Müller. Zur Unterstützung dieser Aufgaben habe das APS die neue Handlungsempfehlung entwickelt, mit der die neuen Herausforderungen im Risikomanagement beschrieben werden und die Anwender konkrete Hilfen zur sicheren Anwendung erhalten.
Von der elektronischen Gesundheitskarte bis zur digitalen Vernetzung von Praxen – der designierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Digitalisierung im Gesundheitswesen rasch vorantreiben. Ein Großteil der Bürger würde eine elektronische Patientenakte nutzen, zeigen mehrere Umfragen. Doch was Patienten tatsächlich von dieser Akte und von der elektronischen Gesundheitskarte erwarten dürfen und wie es mit dem Datenschutz aussieht, ist aus Sicht des APS momentan noch nicht ausreichend geklärt. "Ob die Behandlung für Patienten durch die elektronische Patientenakte und mobile Anwendungen wirklich sicherer und besser wird, muss begleitend untersucht werden", meint Marcel Weigand, Vorstandsmitglied des APS und Vertreter des Vorstands bei der Erarbeitung der Handlungsempfehlung. "Es ist wichtig, dass wir bei den digitalen Entwicklungen Fragen zur Sicherheit der Patienten im Auge behalten, damit im Endeffekt nicht nur die Wirtschaft etwas davon hat."
Neben der fortschreitenden Digitalisierung im Gesundheitswesen gibt es weitere wichtige Themenfelder, deren Entwicklungen nach Ansicht des APS, für die Patientensicherheit noch nicht abgeschlossen sind. Obwohl in den letzten Jahren schon viel passiert ist, will das APS Projekte mit Vorbildcharakter bekannt machen, deshalb stellt es diese auf seiner Jahrestagung vor. "Wir prämieren besonders erfolgreiche Konzepte und Ideen mit dem Deutschen Preis für Patientensicherheit", so Dr. Ruth Hecker, Stellvertretende Vorsitzende des APS. "Anhand von diesen Projekten wollen wir zeigen, dass Kreativität, kritisches Denken und das gemeinsame Arbeiten an einem Ziel für die Patientensicherheit lohnenswert sind."
Obwohl der digitale Wandel im Gesundheitswesen rasch voranschreitet, gibt es bisher keine zentralen Anlaufstellen zur Förderung digitaler Projekte. Auch einheitliche Kriterien dafür fehlen in Deutschland bisher gänzlich. Das APS bemängelt das. "Es darf nicht vom Zufall oder von der finanziellen Stärke der Anbieter abhängen, ob digitale Angebote in den Versorgungsalltag einziehen", so Weigand. "Wir fordern im Gesundheitswesen einen konsentierten Bewertungsmaßstab für digitale Angebote, bei dem der Nutzen und die Sicherheit der Anwendungen für Patienten eine zentrale Rolle spielt."
Nach Ansicht des APS benötigt Deutschland einen "klaren Fahrplan", um die Digitalisierung im Gesundheitswesen in der richtigen Richtung voranzutreiben – und die Patientensicherheit weiter zu stärken. Andere Länder, wie zum Beispiel Dänemark, nehmen hier eine Vorreiterrolle ein. "Wir müssen uns ansehen, wie diese Herausforderungen international angenommen und erfolgreich gelöst werden, um daraus zu lernen", so Müller abschließend. Wie die Digitalisierung die Gesundheitsversorgung besser und sicherer machen kann und was Politik, Ärzte, Pflege und andere Gesundheitsberufe dafür tun können, diskutieren Experten auf der Jahrestagung und der Pressekonferenz am 3. und 4. Mai in Berlin.