Logistisch gesehen ist es ein Alptraum gewesen. Der experimentelle Ebola-Impfstoff muss bei minus 80 Grad gelagert werden. Die Temperatur im westafrikanischen Guinea, wo er getestet wurde, beträgt im Mittel 29 Grad. In ländlichen Gebieten gibt es keinen Strom. Nach Regengüssen sind viele Straßen unbefahrbar.
Dabei spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle: Sobald ein neuer Ebola-Fall bekannt wird, muss innerhalb weniger Stunden ein Einsatzteam mobilisiert werden. Man wolle allen, die mit einem Erkrankten in Kontakt gekommen sind, schnellstmöglich die experimentelle Impfung anbieten, erklärt Dr. Moussa Doumbia, der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beauftragte Leiter der klinischen Studie in Guinea.
In dem Land war die Epidemie im Dezember 2013 ausgebrochen. Sie schwappte in die Nachbarländer Sierra Leone und Liberia über und kostete weit über 10 000 Menschen das Leben. Zugelassene Therapien oder schützende Impfungen gab es nicht, erst im Zuge des Ausbruchs wurde die Forschung dazu intensiviert. Von März 2015 an wurde schließlich der in Kanada entwickelte experimentelle Impfstoff rVSV-EBOV in Guinea getestet.
“Es ist ein historischer Moment”, sagt Doumbia stolz über die weltweit erste Ebola-Ringimpfungs-Studie. Nicht nur die Menschen im direkten Umfeld eines Patienten, sondern auch deren Kontakte werden einbezogen. Auf diese Weise soll ein sogenannter Impfungs-Ring um den Erkrankten entstehen, der die Übertragungskette des Virus unterbricht, erklärt Doumbia. Anschließend werden die Studienteilnehmer für drei Monate beobachtet.
Sind die Straßen schlecht, nutzen die WHO-Mitarbeiter Motorräder. Auf den Gepäckträgern sind spezielle Kühltrommeln befestigt, in denen das Serum bis zu fünf Tage bei hohen Minusgraden gelagert werden kann. Doch damit ist erst ein Problem gelöst. Vor Ort müssen die Menschen, die mit einem Erkrankten Körperkontakt hatten, von der Impfung überzeugt werden. Kein leichtes Unterfangen: Das Misstrauen gegenüber westlicher Medizin ist noch immer enorm. Die Zahl der Studienteilnehmer sei noch vertraulich, so Doumbia, nach anfänglichen Schwierigkeiten habe es aber “sehr viele” Freiwillige gegeben.
Guineas Präsident Alpha Condé versicherte der Bevölkerung wiederholt, der klinische Versuch werde dem bitterarmen Land helfen, den Ausbruch in den Griff zu bekommen. Der nationale Ebola-Beauftragte Sakoba Keita ließ sich öffentlich impfen, um das Vertrauen seiner Landsleute zu gewinnen. Doch die Zahl der Studienteilnehmer stieg erst, nachdem im Juli erste Erfolge gemeldet wurden: Vorläufige Ergebnisse der WHO zeigten, dass die Impfung bei 75 bis 100 Prozent der Teilnehmer zu Immunität führte.
“Trotzdem können wir noch nicht mit absoluter Sicherheit sagen, ob die Impfung vor Ebola schützt und für wie lange”, erklärt Doumbia. Endgültige Ergebnisse wird es erst in vielen Monaten geben. Zunächst müssen die gesammelten Daten analysiert werden. Damit wird nun begonnen – Ende Dezember war Guinea für ebolafrei erklärt worden. Einige Experten hoffen, dass es bereits Ende 2016 Resultate gibt.
Selbst dann könne es noch Jahre dauern, bis ein Impfstoff lizenziert sei, so Doumbia. “Wir wollen den Fortschritt beschleunigen, doch gleichzeitig müssen wir gründlich vorgehen.” Normalerweise würden vorläufige Ergebnisse einer Studie gar nicht erst publik gemacht. “Aber das weltweite Interesse an Ebola ist so groß, dass wir eine Ausnahme gemacht haben.” In Guinea ist die Hoffnung auf eine verfügbare Impfung groß. “Falls Ebola noch mal ausbricht, müssen wir in der Lage sein, alle, die in Kontakt mit einem infizierten Menschen standen, schnellstmöglich zu impfen”, sagt der Ebola-Beauftragte Keita.
Während sich die WHO auf die Ring-Impfung konzentrierte, hat die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) 2000 Mitarbeiter, die mit Ebola-Patienten arbeiteten, geimpft. Erforscht werden sollte bei diesem Ansatz vor allem die Antikörperreaktion – während die Ringimpfung die Wirksamkeit des Impfstoffes bestätigen soll. “Wir haben über die ersten drei Tage nach der Impfung Nebenwirkungen wie Gliedschmerzen, Fieber, Müdigkeit beobachtet. Aber nur wenige”, sagt die Nothilfekoordinatorin von MSF in Guinea, Laurence Sailly. Massive Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen habe es nicht gegeben.
In der MSF-Klinik in Guineas Hauptstadt Conakry hat Youssouf, ein Arzt und Studienteilnehmer, seine letzte Nachfolgeuntersuchung abgeschlossen. Im August hatte sich der 30-Jährige nach einigem Zögern entschieden, an dem Versuch teilzunehmen. Etwas Erleichterung spüre er schon, dass es nun vorbei sei, sagt Youssouf. Er sei aber auch stolz: “Ich wollte Teil der Geschichte sein, die in Guinea geschrieben wird.”
Text: dpa /fw
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