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E. coli gibt seine Tarnungsstrategien nicht preis

Die Probleme bei der Eindämmung von resistenten E. coli Bakterien, H30 genannt, geht weit über die Resistenz gegenüber Antibiotika oder die Anfälligkeit bestimmter Patientengruppen hinaus. Diese Fo

Die Probleme bei der Eindämmung von resistenten E. coli Bakterien, H30 genannt, geht weit über die Resistenz gegenüber Antibiotika oder die Anfälligkeit bestimmter Patientengruppen hinaus.

Diese Form des Erregers verfügt möglicherweise über eine intrinsische Fähigkeit, langfristig schädliche und sogar tödliche Infektionen zu verursachen.

Das Bakterium E. coli gibt es in vielen verschiedenen Varianten. Viele Stämme leben unauffällig im Darm oder als harmlose Mikroben in unserer Umwelt. Einige Stämme verursachen Durchfall, andere können die Harnwege, den Blutstrom oder andere Teile des Körpers befallen und unterschiedlich schwere Krankheit hervorrufen. Die Zustände reichen von mild über ernst bis hin zu tödlichen Verläufen.

Eine besondere genetische Variante von E. coli, der Sequenztyp 131, brachte den H30-Stamm hervor, der in späten 1990er Jahren erstmalig auftrat. In einer fast beispiellosen Demonstration mikrobieller Kraft, verbreitete er sich auf der ganzen Welt und in praktisch allen Bevölkerungsgruppen. Heutzutage ist H30 der weltweit dominierende arzneimittelresistente Bakterienstamm.

Keine andere Art von E. coli richtet so viele und so große Schäden an wie H30. Um das Problem unter Kontrolle zu bekommen sollte man dem Keim genau so viel Aufmerksamkeit wie dem Superbug MRSA widmen – eine behandlungsresistente Staphylokokkenart.

Früherkennung ist schwierig

Erschwerend kommt hinzu, dass H30 meist als subtile Infektion beginnt. Dies macht eine frühzeitige Erkennung in manchen Fällen äußerst schwierig.

Einmal diagnostiziert, haben die Ärzte trotz passender Antibiotikagabe zunehmend große Schwierigkeiten, die Infektion zu beseitigen – ernsthafte Komplikationen sind nicht selten die Folge.

Sowohl die Gefährlichkeit von H30, als auch die Gründe für seinen unaufhaltsamen Aufstieg sind bis heute weitgehend ungeklärt. Den meisten Tierversuchen ist es in der Vergangenheit nicht gelungen beim H30-Stamm eine außergewöhnlich hohe Virulenz festzustellen. Es wird unter anderem angenommen, dass H30 opportunistische Infektionen verursacht, wobei sie die Gegebenheiten einer zunehmend älteren Bevölkerung sowie das Vorhandensein von geschwächten Immunsystemen ausnutzten.

Auch der zu häufige Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika könnte die Dominanz von H30 gefördert haben. Die nicht ausreichend effektiven Medikamente haben sie über längere Zeit hinweg resistent gegen viele Präparate gemacht. Vor allem die Fluorchinolone (wie Cipro), die für Infektionen der Harnwege vorgesehen sind, zeigen gegen H30 kaum noch Wirkung.

H30 verursacht jährlich Million Infektionen

Diese Faktoren sowie das potentielle Vorhandensein von noch unbekannten Erregereigenschaften, könnten zu der Entwicklung hin zur weltweiten Bedrohung der öffentlichen Gesundheit beigetragen haben. Jedes Jahr verursacht H30, allein in den USA, mehr als 1 Million Infektionen der Harnwege, sowie zahllose tödlich verlaufende Sepsen.

Evgeni Sokurenko, Professor für Mikrobiologie an der University of Washington, ist Leiter eines Teams von Forschern, das es sich zum Ziel gemacht hat, die Natur von H30-Infektionen zu untersuchen und zu verstehen. Das Team setzt sich aus Mitarbeitern der University of Washington, des Minneapolis Veterans Affairs Health Care Systes, der University of Minnesota und des Kinderkrankenhauses von Seattle zusammen.

Durch die Analyse epidemiologischer und medizinischer Daten, untersuchte das Team einen möglichen Zusammenhang zwischen H30 und Patientencharakteristika, klinischen Manifestationen und der Behandlung.

Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Clinical Infectious Diseases veröffentlicht. James R. Johnson, Arzt und Direktor der Molecular Epidemiology Unit am Minneapolis VA Health Care System und Professor für Medizin an der University of Minnesota, war Erstautor der Studie.

Geschwächte Patienten haben erhöhtes Risko

Die Wissenschaftler fanden unter anderem heraus, dass Menschen mit einem erhöhten Risiko für E. coli H30-Infektion vor Allem ältere Patienten waren, die in einer medizinischen Einrichtung, einschließlich der Langzeitpflege in Wohnungen oder Krankenhäusern, gewesen sind, Antibiotika erhalten haben und/oder Vorerkrankungen hatten, welche die Fähigkeit Infektionen abzuwehren schwächten.

Die Forscher beobachteten auch, dass Patienten, bei denen später H30 nachgewiesen wurde, bei ihrem ersten Arztbesuch mit höherer Wahrscheinlichkeit zunächst keine Infektion diagnostiziert bekamen. Folglich war deutlich weniger wahrscheinlich, dass sie das richtige Antibiotika verschrieben bekamen. Beide Umstände bedeuten für den Patienten gefährliche Verzögerungen im Kampf gegen den Keim.

Bei Patienten mit Infektion und H30 als Ausgangsstamm, traten innerhalb des ersten Monats deutliche eher schwere Komplikationen auf als bei anderen Erregern. Darunter zählte beispielsweise die Einlieferung ins Krankenhaus oder eine neue Infektion an anderer Stelle.

Selbst in den Fällen, in denen sich die H30-Infektion bei der ersten klinischen Vorstellung wie jede andere E. coli-Infektion verhielt und als solche erkannt wurde, konnte die Infektion für eine ungewöhnlich lange Zeit bestehen bleiben – sogar unter Anwendung der korrekten Antibiotika.

Forscher vermuten unbekannte Tarnungsstrategie von H30

Auch wenn der genaue Grund unklar bleibt, vermuten Sokurenko und Kollegen, dass H30 einen Weg gefunden hat,  sich der natürlichen Abwehrkräfte des Patienten zu entziehen. Dies würde erklären, warum der körpereigene Versuch die Erreger zu eliminieren, so oft scheitert.

Ursachen für die fehlende Reaktion auf vermeintlich wirksame Antibiotika sowie Gründe für später auftretende Komplikationen sind jedoch nach wie vor schwer zu erklären.

In jedem Fall scheint H30 eine gefährliche Kombination aus hoher Resistenz gegenüber Antibiotika und sehr erfolgreicher Tarnungsstrategie in sich zu vereinen. Diese beiden Problemeigenschaften könnten erklären, warum sich H30 derart weit verbreiten konnte und zum sogenannten “Superbug” wurde. Was das ganze Übel letztendlich verschlimmert, ist seine Tendenz, bei Patienten so lange unbemerkt zu bleiben, bis er bereits erheblichen Schaden angerichtet hat.

Sokurenko fordert deshalb bessere diagnostische Möglichkeiten, um H30 in älteren oder gefährdeten Patienten, ohne die üblichen Symptome einer Harnwegsinfektion oder Sepsis, frühzeitig zu erkennen.

Neben einer verbesserten Überwachung würde er auch die Einführung verbesserter Schnelltests begrüßen. Diese sollen bestimmen, welche Antibiotika bei einem bestimmten Patienten funktionieren und welche nicht. Zukünftig könnten auf diesem Weg Resistenzen und verzögertes Ansprechen besser vermieden werden.

Sokurenko meint, dass ihre Ergebnisse die Notwendigkeit einer individualisierten Antibiotikatherapie für E. coli-Infektionen unterstreichen. Auch wenn die Infektion eines Patienten zunächst mild erscheint, sollte er stets sorgfältig überwacht werden, um ein unkontrolliertes voranschreiten der Infektion zu verhindern.

Text: esanum /pvd

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