Wissenschaftler des Joslin Diabetes Center haben eine unerwartete Entdeckung gemacht, die den Verlauf von diabetischen Nierenschädigungen verlangsamen kann. Schlüssel dafür sei der Glukosestoffwechsel in der Zelle, so eine aktuelle Studie im Journal Nature Medicine.
Aktuell sind in den Vereinigten Staaten mehr als 660.000 Fälle von Nierenversagen im Endstadium registriert. Patienten hilft dann nur noch die Dialyse oder eine Nierentransplantation. Bei knapp 50 Prozent der Betroffenen ist das Nierenversagen die Folgeerscheinung einer Diabeteserkrankung. Patienten mit Typ-1-Diabetes werden im Rahmen des “Joslin Medalist Study Program“ über Jahrzehnte beobachtet, um herauszufinden, warum einige von ihnen mit nur relativ wenigen Komplikationen leben müssen. Dabei wurde festgestellt, dass unter Patienten mit dem gleichen Blutzuckerspiegel einige ein Nierenversagen entwickelten und andere nicht. Im Rahmen der Studie wurden gespendete Nieren postmortal auf Proteine untersucht, die in Nierenzellen das Blut filtern.
Dr. George King, Joslin Chief Scientific Officer und Professor an der Harvard Medical School sagt, dass er einen Unterschied zwischen gesunden und erkrankten Nieren erwartet hätte. Denn erhöhter Glukosestoffwechsel galt bislang als Ursache für Schäden an Mitochondrien, die dann wiederum große Mengen an Sauerstoffmolekülen produzieren, was letztendlich zu einem Nierenversagen führt. Stattdessen wurde genau das Gegenteil beobachtet.
Nachdem infolge dieser Entdeckung an Mäusen weitergeforscht wurde, stieß Dr. Kings Team auf Podozyten, spezialisierte Nierenzellen, die eine entscheidende Filterfunktion haben. “Überraschend war für uns, dass diese Zellen, sobald der Glukosestoffwechsel aktiviert ist, neue Mitochondrien ausbilden und damit sogar noch besser funktionieren“, sagt King. Als nächstes versuchten die Forscher, gezielt das Enzym PKM2 zu aktivieren, welches zuvor in gesunden Nieren dreimal so häufig aufgetreten war wie in erkrankten Nieren. Zudem war das Enzym PKM2 bereits Forschungsgegenstand in zahlreichen Krebsstudien, weswegen heute diverse Untersuchungsmethoden zur Verfügung stehen. Das Experiment wurde erfolgreich an zwei Gruppen von Mäusen durchgeführt – einerseits direkt am Anfang eines Diabetes und andererseits etwa drei bis vier Monate nach einer Erkrankung, wobei die toxischen Effekte sogar umgekehrt werden konnten.
Nachdem nun weitere Untersuchungsergebnisse von Diabetes-Patienten außerhalb des Medalist-Programms vorliegen, kann geschlussfolgert werden, dass die beobachteten Schutzmechanismen der Zellen beim Glukosestoffwechsel nicht nur bei Typ-1-Diabetes, sondern auch bei Typ-2-Diabetes auftreten. Für präzisere Erkenntnisse müssen aber noch Studien mit weit mehr Teilnehmern durchgeführt werden. Dr. King ist zuversichtlich: “Jegliche Art von Fortschritt hilft uns enorm, gegen diabetische Nierenschädigungen vorgehen zu können. Denn der Bedarf ist groß. Seit Jahrzehnten schon gibt es kein neues Mittel dagegen.“
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