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Dosisdichte Chemotherapie beim Mammakarzinom

Die dosisdichte Chemotherapie ist Standard bei Hochrisikopatientinnen mit Mammakarzinom. Verschiedene Studien zeigen, dass vor allem Patientinnen mit mehr als vier befallenen Lymphknoten einen deutlichen Benefit von der Therapie haben.

Neues in der supportiven Therapie bei Hochrisikopatientinnen 

Die dosisdichte Chemotherapie ist Standard bei Hochrisikopatientinnen mit Mammakarzinom. Verschiedene Studien zeigen, dass vor allem Patientinnen mit mehr als vier befallenen Lymphknoten einen deutlichen Benefit von der Therapie haben.

Doch geht eine dosisdichte Therapie immer mit dem Risiko einer Neutropenie einher. Um das Risiko der Febrilen Neutropenien einzudämmen, gibt es in der Prophylaxe neue Erkenntnisse und aktuelle deutschlandweite Studien. Im Rahmen des Vortrags "Dosisdichte Therapie in der Praxis" auf der 37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie e.V. sprach Prof. Dr. Marion Kiechle vom Klinikum rechts an der Isar über den Status quo von Therapie und Forschung.

Keine Konkurrenz für die ETC-Studie

"Es gibt keine Studie nach ETC, die ähnliches geleistet hat", so Kiechle. Die ETC-Studie1 weist im Vergleich zu einer konventionellen Kombinations-Chemotherapie drei wesentliche Unterschiede auf. In der ETC-Studie werden die Zytostatika nicht als Kombinations-Chemotherapie gegeben, sondern die am besten wirksamen Substanzen, die wir im Bereich des Mammakarzinoms haben, nämlich Anthrazykline, Taxane und Alkylanzien wurden als Monotherapie in einem sequenziellen Therapieregime verabreicht. Durch die Entwicklung von G-CSF wurde es erstmals möglich, die Dosisintensität relevant zu steigern. Ohne die supportive Gabe von G-CSF wäre eine solche Studie allerdings niemals durchführbar gewesen. Unter präventiv supportiven Maßnahmen ist die etwas erhöhte Toxizität der dosisdichten Therapie klinisch unerheblich.

Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die zeigen: Je höher die Dosisintensität, umso besser ist das rezidivfreie und auch das Gesamtüberleben der Patientinnen. Der Lymphknotenbefall ab vier befallenen Lymphknoten bringt einen klaren Vorteil für ein dosisdichtes Schema und je mehr Lymphknoten befallen sind, desto mehr bringt das Schema einen Benefit. Ab 9 befallenen Lymphknoten ist die Signifikanz besonders hoch. Frauen mit vielen befallenen Lymphknoten profitieren demnach definitiv von der dosisdichten Therapie, also dem ETC-Schema.

Nach 10 Jahren zeigt die Studie, dass der experimentelle Arm - also die Patientinnen im ETC-Schema - hier einen Überlebensvorteil bietet und 10 Prozent mehr Gesamtüberleben in der dosisdichten Gruppe besteht. Des Weiteren bleibt der Standard die Kombination aus drei Zytostatika, es besteht kein Vorteil durch eine vierte Substanz. Verschiedene Studien kamen hier zu keinem anderen Ergebnis.

Gibt es neue Resultate in der neoadjuvanten Therapie?

Es gilt der klinische Leitsatz, dass alles was in der adjuvanten Therapie angewendet wird, auch in der neoadjuvanten anwendet werden kann. Allerdings ist die Studiendichte nach wie vor nicht sehr hoch, obwohl Deutschland, laut Prof. Kiechle, generell an der Spitze in der Generierung von neuem evidenzbasierten Wissen liegt, zum Beispiel mit der GeparOcto-Studie. Die randomisierte Phase III-Studie vergleicht dosisdichte, dosisintensivierte Therapieansätze (ETC und PM (Cb)) für die neoadjuvante Behandlung von Hochrisikopatientinnen mit primärem Brustkrebs. Die Ergebnisse dieser Studie sind allerdings eher enttäuschend. Es gab keine signifikanten Unterschiede in der triple-negativen Gruppe (Hochrisiko) und in der HER2-positiven Gruppe. Das heißt, das neue, sehr aggressive Schema ist dem Klassiker ETC nicht überlegen.

Neues bei G-CSF Präparaten

Die Primärprophylaxe mit G-CSF ist obligater Bestandteil des Therapie-Regimes einer dosisdichten Chemotherapie. Gerade bei dosisdichten Regimen ist das Neutropenie-Risiko besonders hoch. Eine Neutropenie ist charakterisiert durch eine verminderte Zahl neutrophiler Granulozyten im peripheren Blut. Bei Erwachsenen liegt der Grenzwert bei 1.500/µl. Bei einer Neutropenie besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko, welches lebensbedrohlich sein kann. Deshalb wird bei dosisdichten Regimen immer eine Neutropenieprophylaxe empfohlen. Filgrastim war 1991 das erste G-CSF-Analogon, das zugelassen wurde. Als Immunstimulanz ist Lipegfilgrastim genauso wie seine Analoga wie Pegfilgrastim bei Patienten indiziert, die eine zytotoxische Chemotherapie erhalten, um die Dauer der therapiebedingten Neutropenie zu verkürzen oder die Inzidenz einer febrilen Neutropenie zu vermindern.

Lipegfilgrastim ist ebenso wie Pegfilgrastim mit einem einzelnen Molekül PEG kovalent verbunden. Im Unterschied zu Pegfilgrastim, das nicht glykosyliert und N-terminal pegyliert ist, ist Lipegfilgrastim entsprechend dem natürlichen G-CSF glykosyliert und die PEGylierung erfolgt genau am O-glykosylierten Kohlenhydratanteil. Dieser dient im humanen G-CSF quasi als Schutzschild gegen einen zu schnellen Abbau durch proteolytische Enzyme. Bei Lipegfilgrastim wird dieser Schutzschild durch die zusätzliche PEGylierung erweitert und der Abbau nochmals deutlich erschwert, was die Plasmahalbwertszeit signifikant erhöht2. Aufgrund seiner PEGylierung besitzt Lipegfilgrastim eine hohe metabolische Stabilität, sodass pro Chemotherapie-Zyklus genauso wie beim Pegfilgrastim und im Gegensatz zu Filgrastim und Lenograstim (jeweils tägliche Injektion) nur eine Injektion pro Zyklus nötig ist.

Die im Jahr 2014 gestartete nicht-interventionelle Studie NADIR untersucht die Wirksamkeit und Sicherheit von Lipegfilgrastim unter Alltagsbedingungen. In der Zulassungsstudie von Lipegfilgrastim hatte sich die Inzidenz schwerer Neutropenien des Grades 4 bei Patientinnen mit Mammakarzinom bei Prophylaxe mit diesem G-CSF um 50 Prozent reduziert. Die absoluten Neutropeniezahlen erholten sich dabei in den ersten 3 Zyklen mit Lipegfilgrastim rascher als in der Kontrollgruppe mit Pegfilgrastim. Keine Patientin, der Lipegfilgrastim erhalten hatte, entwickelte eine FN.3

Die Anwendung von Lipegfilgrastim, gemäß Leitlinien als Supportivtherapie, bei der neoadjuvanten und adjuvanten Therapie von Patientinnen mit Mammakarzinom, geht wie in der Zulassungsstudie auch im klinischen Alltag mit einer niedrigen Rate schwerer und febriler Neutropenien einher. Lipegfilgrastim war gut verträglich und auch das bekannte Sicherheitsprofil konnte bestätigt werden. Die Wirksamkeit wird auch bei dosisdichten Behandlungsregimen mit besonders hohem Risiko beibehalten.

Aktuell untersucht die nicht-interventionelle Studie NADENS mit 113 Patientinnen mit primären Mammakarzinom, die eine dosisdichte Chemotherapie erhalten (Stand 27. Juni 2017), deutschlandweit in 79 teilnehmenden Zentren die Beigabe von Lipegfilgrastim zur primären Prophylaxe. Der Einschluss von weiteren 487 Patientinnen ist bis Dezember 2017 möglich. Beobachtungsziele der Studie sind neben den Inzidenzen schwerer und febriler Neutropenien die Lebensqualität der Patientinnen, aber auch die Beobachtung gesundheitswirtschaftlicher Aspekte.

Blick in die Zukunft

In der Zusammenfassung ist die dosisdichte Chemotherapie nach wie vor Standard bei Hochrisikopatientinnen mit einem Mammakarzinom. Hochrisiko wird definiert durch die Anzahl der befallenen Lymphknoten. Je mehr Lymphknoten befallen sind, desto wirksamer ist die Therapie. Die Mutter aller Schemata bleibt ETC. Die GeparOcto-Studie hat gezeigt, dass es Alternativen gibt, allerdings ohne Signifikanz im Gesamtüberleben. Als Neutropenieprophylaxe ist G-CSF bei einer dosisdichten und dosisintensivierten Chemotherapie zwingend notwendig. Die NADENS-Studie wird möglicherweise zeigen, dass das G-CSF Lipegfilgrastim in Zukunft andere Analoga vollständig ersetzen könnte.

Referenzen:
1. Moebus et al.: Mature Results of an AGO Phase III Study. J Clin Oncol. 28 (2010).
2. Müller et al. 2011, Bondarenko et al. 2013.
3. Bondarenko I et al.: BMC Cancer 2013; 13:386-389.