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Lauterbachs Digitalisierungsstrategie: von Postkutsche zu Express

Die Digitalisierungsstrategie für Medizin und Pflege reicht von elektronischer Patientenakte bis zu einem neuen Forschungsdatenzentrum Gesundheit, so der Bundesgesundheitsminister.

Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) in den Startlöchern 

Von der Postkutsche auf den Expresszug: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verordnet dem bislang schleppenden Digitalisierungsprozess im deutschen Gesundheitswesen mit seiner Digitalisierungsstrategie 2030 ein neues Tempo und mit der Benennung konkreter Ziele, Maßnahmen und zeitlich definierten Meilensteinen einen neuen Grad an Verbindlichkeit sowie Überprüfbarkeit. 

Rechtliche Grundlage dafür werden zwei Gesetzesvorhaben sein:

  • Das Digitalgesetz: Es schreibt unter anderem bis Ende 2024 die Einführung der ePA mit einer Opt-Out-Regelung vor. Das E-Rezept soll ab dem, 1. Januar 2024 verbindlicher Standard für Arzneiverordnungen werden. Das wird Basis einer digitalen Medikationsübersicht, mit der auch unerwünschte Wechselwirkungen festgestellt werden können. Die gematik wird aus der Selbstverwaltungsstruktur herausgelöst und als Digitalagentur in voller Trägerschaft des Bundes in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt. Telemedizinische Verfahren sollen zu einem Standard in der Versorgung werden und auch von Apotheken und Gesundheitskiosken angeboten werden. Disease-Management-Programme werden durch digitale Elemente (zum Beispiel DiGA) erweitert.
  • Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG): Es schafft eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für den Zugang beispielsweise zu Krebsregistern oder Krankenkassendaten für die Forschung. Um die Verknüpfbarkeit von Daten aus verschiedenen Quellen zu ermöglichen, werden Forschungspseudonyme ermöglicht. Die datenschutzrechtliche Aufsicht für Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten wird bundesländerübergreifend organisiert und erfolgt dann nur noch durch einen Landesdatenschutzbeauftragten. Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit beim BfArM wird erweitert und auch der forschenden Industrie zugänglich gemacht. Maßgeblich ist der Zweck der Forschung, nicht der Absender. Pseudonymisierte ePA-Daten sollen künftig automatisch über das Forschungsdatenzentrum Gesundheit abrufbar sein. Die Datenfreigabe aus der ePA soll nutzerfreundlich in der ePA gesteuert werden können; dabei ist auch eine Opt-Out-Funktion vorgesehen. 

Lauterbach: "Unverantwortlicher Digitalisierungs-Rückstand"

Die weitreichenden und energischen Pläne erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstag so: 

"Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. Das können wir nicht länger verantworten. Deshalb machen wir einen Neustart."

Die Digitalisierungsstrategie habe das Ministerium über mehrere Monate gemeinsam mit Patientenvertretern und Akteuren aus dem Gesundheitswesen entwickelt. Sie sei eine Orientierung dafür, wie sich Versorgungsprozesse, Datennutzung und Technologien bis Ende des Jahrzehnts entwickeln müssen, um Medizin und Pflege qualitativ zu verbessern und effizienter zu gestalten.

Mit der Digitalisierung sollen schon kurz- und mittelfristig bestehende Versorgungsprozesse maßgeblich verbessert und rationeller gestaltet werden. Konkrete Beispiele, die die Praxis verändern sollen: Austausch des Papierversands durch elektronische Kommunikation; generell möglicher Ersatz bisher analoger medizinischer Versorgung durch Telemedizin; Erhebung von Gesundheitsdaten durch vom Patienten selbst genutzte Wearables und Übermittlung der Daten zur Kontrolle an die Arztpraxis; Telemonitoring chronisch kranker und pflegebedürftiger Menschen; virtuelle Fallkonferenzen und Operationen. 

Messenger-Dienst für die Profi-Kommunikation schon im zweiten Quartal

Die Digitalisierungsstrategie soll schon kurzfristig wirksam werden. Bereits im zweiten Quartal 2023 – also innerhalb der nächsten drei bis vier Monate – soll ein Messenger-Dienst für die Kommunikation zwischen Leistungserbringern eingerichtet werden; ein entsprechender Service für die Kommunikation zwischen Leistungserbringern und Versicherten soll ab 2024 verfügbar sein. 

Die Digitalisierung von Versorgungsprozessen soll bei den Disease-Management-Programmen starten. Hier erhalten DiGA und die ePA einen konkreten medizinischen Nutzen für den Patienten. 

Die Telemedizin soll zu einem neuen Versorgungsstandard in Medizin und Pflege werden, für Patienten niedrigschwellig angeboten werden und auch von Apotheken und anderem nichtärztlichen Gesundheitspersonal genutzt werden können. Angestrebt wird, bis 2026 in mindestens 60 Prozent der hausärztlich unterversorgten Gebiete eine Anlaufstelle für assistierte Telemedizin zur Verfügung zu stellen. 

Mittelfristig – das heißt bis 2026 – sollen 80 Prozent der Kommunikationsvorgänge im Gesundheitswesen papierlos erfolgen. Bis dahin sollen die für die Routinebehandlung komplexer Krankheitsbilder relevanten Kerninformationen aus der ePA in Form von Teilansichten entnommen werden können. In etwa drei Jahren sollen 60 Prozent der durch den ÖGD-Pakt geförderten Gesundheitsämter ihre digitale Reife in mindestens drei Kategorien um mindestens zwei Stufen verbessert haben. Und schon in zwei Jahren sollen 50 Prozent der Kliniken, die im Rahmen des Krankenhausstrukturfonds gefördert werden, ihren digitalen Reifegrad in mindestens zwei Kategorien um mindestens zwei Stufen verbessert haben.

Wesentliche Ziele der Digitalisierungsstrategie sind ein schonender Umgang mit knapper werdenden personellen Ressourcen, Zeit für die Behandlung von Patienten zu gewinnen und Mitarbeiter durch qualitativ bessere Arbeitsbedingungen zu motivieren.