In dieser Legislaturperiode müsse eine nationale Strategie entwickelt werden, um evidenzbasiertes Wissen in digitalen Gesundheitsanwendungen, Patienteninformationen und Arztinformationssystemen zu integrieren. Dazu gehöre eine unabhängige Finanzierung, beispielsweise durch einen Fonds, in den alle Institutionen einzahlen, die von der Leitlinienerstellung profitieren, so Treede.
Für dringend korrekturbedürftig hält die AWMF die Praxis des Datenschutzrechts. “Die Gesetzgebung hat in den vergangenen Jahren zunehmend Hürden für die klinische Forschung aufgebaut, was am Beispiel der Digitalisierung besonders deutlich wird, kritisierte AWMF-Vizepräsident Professor Henning Schliephake. Bereits jetzt verfügten Krankenkassen über große Mengen an medizinischen Informationen, die dazu beitragen können, Kenntnisse über die Versorgungsrealität zu gewinnen. Diese Daten müssten der Forschung zugänglich gemacht werden. Auch bei der Nutzung von Registerdaten gebe es bürokratische Hürden: "Es besteht die Gefahr, dass hier riesige Datenfriedhöfe entstehen, deren Potenzial für die Forschung ungenutzt bleibt", so Schliephake. Berechtigte Schutzinteressen müsse der Gesetzgeber mit dem ebenfalls berechtigten Forschungsinteresse in Einklang bringen.
Ein weiteres Anliegen der AWMF ist es, in der aktuellen Legislaturperiode, den wissenschaftlichen Nachwuchs gezielt zu fördern. Beispielsweise müssten Angebote für ein Karriere-Coaching in der Forschung entwickelt werden. Dies könne aus einem Fonds der nationalen Gesundheitswirtschaft finanziert werden. Insbesondere sei es unerlässlich, die Karriereperspektiven des akademischen Mittelbaus zu verbessern. Im einzelnen fordert die AWMF:
Die Förderung und Finanzierung von Leitlinien ist seit einigen Jahren institutionelle Aufgabe des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesauschusses, erläuterte dessen Vorsitzender Professor Josef Hecken. Bislang hat der Innovationsausschuss 12,7 Millionen Euro bewilligt, dabei seien 41 von 62 beantragten Projekten ausgewählt worden. 15 Leitlinienprojekte befassten sich mit seltenen Erkrankungen, acht Projekte mit der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen bei komplexem Behandlungsbedarf und fünf mit der Versorgung von Zielgruppen mit besonderen Bedürfnissen.
Nachdrücklich habe er sich beim Gesetzgeber für die Förderung der Leitlinienarbeit durch den Innovationsfonds eingesetzt, betonte Hecken. Dies resultiere zum einen aus Versorgungsbedarfen, andererseits aus der hohen Bedeutung hochwertiger und vertrauenswürdiger Leitlinien in vielen Arbeitsbereichen des Bundesausschusses. Denn Leitlinien könnten Empfehlungen für Disease-Management-Programme, Grundlagen für die Qualitätssicherung, zweckmäßige Vergleichstherapien im Rahmen der Nutzenbewertung von Arzneimitteln oder zur Evaluation neuer Interventionen liefern.
Einig ist sich Hecken mit der AWMF, dass die zügige Digitalisierung von Leitlinien die nächste große und gemeinsame Herausforderung sein wird. Inhalte von Leitlinien sollten nicht nur ein Wissensschatz für Experten bleiben, sondern auch für die Versorgungspraxis aktuell verfügbar sein.