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Digitale Datenbrille für Rettungsassistenten im Test

Loveparade-Katastrophe, Terroranschlag auf einem Weihnachtsmarkt - das sind Ausnahmesituationen für Helfer. Sie stehen unter Stress, müssen rasch Entscheidungen treffen. Eine neue Technik soll ihnen helfen.

Telemedizin im Einsatz: Technische Hilfe für Helfer

Loveparade-Katastrophe, Terroranschlag auf einem Weihnachtsmarkt - das sind Ausnahmesituationen für Helfer. Sie stehen unter Stress, müssen rasch Entscheidungen treffen. Eine neue Technik soll ihnen helfen.

Notruf. Ein Zug ist entgleist. Der erste Rettungswagen trifft ein. Verletzte bluten, schreien - andere sind apathisch, stehen unter Schock. Einer rührt sich gar nicht mehr. Herz-Kreislaufversagen. Eine sogenannte Großlage - allerdings eine simulierte, mit Schauspielern. Die Katastrophenschutzübung am Sonntag in Aachen wirkt so echt, dass vorbeifahrende Radler von einem Unfall ausgehen. Tatsächlich testen Wissenschaftler der RWTH Aachen eine Datenbrille, die medizinische Einsatzkräfte in Großlagen entlasten und die Versorgung von Unfallopfern verbessern soll.

Wer braucht am dringendsten Hilfe: Der Mann mit dem offenen Beinbruch, die stöhnende Frau mit dem abstehenden Fuß? Normalerweise entscheidet der Notarzt. "Aber der ist vor Ablauf einer Stunde selten da", sagt Czaplik, Leiter der Forschungsgruppe Audime am Aachener Klinikum und selbst erfahrener Notarzt. Der am nächsthöchsten Qualifizierte muss ran, in der Regel der Rettungsassistent. "Man verlangt von den Helfern, Dinge zu tun, für die sie normalerweise gar nicht ausgebildet sind oder nicht genügend trainiert haben", sagt Czaplik.

Bei der Übung tragen Rettungsassistenten wie Mentor Krasniqi die neu entwickelte Datenbrille mit eingebauter Kamera und ein Headset. Darüber kann man einen Telemediziner zuschalten. Der sieht über eine in der Brille integrierte Kamera auf seinem Bildschirm in Echtzeit das, was Krasniqi sieht. Der Arzt ist so quasi vor Ort mit dabei und kann erste Behandlungen einleiten. "Es ist gut, wenn man nicht mehr allein entscheiden muss", sagt der 33-jährige Rettungsassistent nach der Übung - auch wenn es an einigen Stellen noch etwas gehakt habe. "Das muss sich einspielen."

Fehlerquote bei Entscheidungsfindung durch Datenbrille gesunken

Da es nur einen dezentralen Arzt gibt, müssen andere Einsatzkräfte auf eine andere Hilfe der Brille zurückgreifen: In einem Display erscheinen Fragen, die bei der Entscheidung helfen, welches Opfer am dringendsten Hilfe braucht. Es ist der Standard der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin: Atmet der Patient, ist er bei Bewusstsein, ist der Kreislauf gestört? Alles muss schnell gehen. Opfer bekommen Karten umgehängt, rot gelb und grün für Priorität 1, 2 und 3.

Die Katastrophe bei der Duisburger Loveparade, der Terroranschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin - selbst erfahrene Helfer können sich Czaplik zufolge in extremen Situationen nicht unbedingt auf ihre Intuition verlassen. "Aufgrund des Stresses in dieser Situation können die Helfer vielleicht nicht klar genug denken", sagt er. In der Überforderung komme es zu Fehlern.

16 Verletzte, zwei entgleiste Waggons. In Aachen rettet ein Einsatzteam die Verletzten mit Unterstützung der Datenbrille, das andere ohne. Wer arbeitet schneller, wer macht bei seinen Entscheidungen weniger Fehler? Wie empfinden die Helfer die Unterstützung? Die Wissenschaftler werden den Einsatz später auswerten.

In bisherigen Versuchen ist die Fehlerquote nach Angaben der Forscher bei Entscheidungen mit der Datenbrille deutlich gesunken. Auf der anderen Seite kostet der Einsatz mit Brille aber etwas mehr Zeit. "Das ist eine der zentralen Fragestellungen, ob dieses Mehr an Zeit - wir reden über Sekunden - durch das Mehr an Versorgungsqualität gerechtfertigt ist", sagt Czaplik. "Wir gehen davon aus."