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„Die Zusammenarbeit zwischen Pharmaindustrie und Fachkreisen ist notwendig“

Dr. Holger Diener, Geschäftsführer des FSA, über die Notwendigkeit von Kooperationen zwischen Ärzten und Industrie und Möglichkeiten, den Transparenzkodex noch konsequenter anzuwenden.

Dr. Holger Diener, Geschäftsführer des FSA, über die Notwendigkeit von Kooperationen zwischen Ärzten und Industrie und Möglichkeiten, den Transparenzkodex noch konsequenter anzuwenden.

Die 56 Mitgliedsunternehmen der Pharmaindustrie, die sich im “Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.” (FSA) zusammengeschlossen haben, verpflichten sich seit diesem Jahr, Zahlungen und geldwerte Vorteile an Angehörige von Fachkreisen wie beispielsweise Ärzte, Apotheker sowie alle Angehörigen medizinischer, zahnmedizinischer, pharmazeutischer oder sonstiger Heilberufe transparent zu machen. Die Zahlungen an Patientenorganisationen werden von den FSA-Mitgliedern bereits seit 2009 veröffentlicht.

2016 hat der FSA erstmals die Zahlen für 2015 veröffentlicht. 366 Millionen Euro flossen an Ärzte, andere Fachkreisangehörige, medizinische Organisationen und Einrichtungen für die Durchführung von klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen im Rahmen von Forschung und Entwicklung, 119 Millionen Euro an andere Fachkreisangehörige für Vortragshonorare und Fortbildungen sowie 90 Millionen Euro an medizinische Organisationen und Einrichtungen für Sponsoring von Veranstaltungen, Spenden und Stiftungen.

Dr. Holger Diener, Geschäftsführer des Vereins “Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.” (FSA), zieht im esanum-Interview eine positive Bilanz für das erste Jahr: “Wir haben eine breite Diskussion angestoßen, warum eine Kooperation der Industrie mit Fachkreisen notwendig ist.”

Dr. Holger Diener Geschäftsführer FSA

esanum: Herr Dr. Diener, die FSA-Mitgliedsunternehmen waren 2016 zum ersten Mal verpflichtet, ihre Zahlungen an Fachkreise und Patientenorganisationen zu veröffentlichen. Inwieweit kamen sie der Verpflichtung nach?

Diener: Alle Unternehmen haben ihre Zahlungen auf Ihren Webseiten veröffentlicht. Das ist ein großer Erfolg, da es alle Zuwendungen europaweit einschließt – ab dem ersten Euro. Trotzdem ist es ein Prozess, den es weiter zu verbessern gilt.

esanum: Was genau könnte verbessert werden?

Diener: Zum einen wollen wir noch mehr Ärzte dazu bewegen zuzustimmen, dass sie mit Klarnamen in den Listen erscheinen. Zum anderen gilt es der Öffentlichkeit detailliert zu erklären, warum Kooperationen zwischen Ärzten und anderen Fachkreisen und Unternehmen sein müssen und wie der Patient davon profitiert.

esanum: Aus welchen Gründen wollen Ärzte nicht als Empfänger von Zahlungen genannt werden?

Diener: Die FSA-Mitglieder haben die Zahlen zum ersten Mal veröffentlicht. Viele Ärzte wollen erst einmal abwarten, bis sich das mediale Interesse etwas abgekühlt hat – der Sunshine Act als Pendant in den USA zeigt beispielsweise, dass im zweiten Jahr und den darauf folgenden mehr Ärzte teilgenommen haben, weil sie gesehen haben, dass es keine negativen Konsequenzen gab und sich die Aufregung gelegt hat. Es ist auch ein deutschlandtypisches Phänomen, dass kaum jemand seinen Verdienst offenlegen will. Ein dritter Grund dürfte das Antikorruptionsgesetz sein, das wir generell begrüßen. Es ist allerdings nicht klar geregelt, was genau erlaubt ist und was nicht. Bevor ein Arzt riskiert, in den Fokus staatsanwaltlicher Ermittlungen zu gelangen, weil er Zahlungen bekommen hat, hält er sich lieber zurück. Am Ende mag bei den Ermittlungen nichts rauskommen, aber ein Imageschaden für den Arzt könnte schon durch die Aufnahme von Ermittlungen entstehen.

esanum: “Spiegel Online” und das Recherchenetzwerk “correctiv” haben vor kurzem sehr aufmerksamkeitsstark veröffentlicht, welche Leistungen jeder Arzt von der Industrie erhalten hat. Wie bewerten Sie die Berichterstattung?

Diener: Die Berichterstattung suggerierte, dass Zahlungen etwas Anrüchiges seien und automatisch eine Beeinflussung der Ärzte erfolge. Es lag den Artikeln auch keine umfangreiche Recherche zugrunde, wie glauben gemacht werden sollte. Es wurden die von uns transparent gemachten Veröffentlichungen verwendet – es besitzt ja niemand sonst diese Zahlen. Sie wurden dann den einzelnen Ärzten zugeordnet, was insofern eine besser zusammengefasste Darstellung war. Nur hätte man alle Informationen auch von den 56 FSA-Mitgliedsunternehmen direkt bekommen – mit mehr Aufwand natürlich.

“Teure Geschenke gehören der Vergangenheit an”

esanum: Gibt es in der Industrie noch schwarze Schafe, die Zahlungen an Fachkreise tätigen oder beispielsweise Ärzten hochpreisige Geschenke machen?

Diener: Für die 56 FSA-Unternehmen kann ich das so gut wie ausschließen – und das sind ja die großen Pharmakonzerne. Es gibt zum einen eine umfangreiche Selbstkontrolle und zum anderen einen Strafenkatalog, der Fehlverhalten sanktioniert. Teure Geschenke gehören für die FSA-Mitglieder schon lange der Vergangenheit an. Die Pharmaunternehmen haben sich verpflichtet, nicht einmal mehr Kugelschreiber oder ähnliche Promotionartikel an Ärzte zu verschenken. Diese Transparenz und Limitierung gibt es in keinem anderen Bereich. Der Grund ist ein ganz einfacher: Die Pharmaunternehmen wollen in den Mittelpunkt stellen, warum Kooperationen, die dann auch vergütet werden, sein müssen und wollen nicht mehr über einen verschenkten Kugelschreiber diskutieren und ob dieser das Verhalten eines Arztes beeinflusst haben könnte. Mit solchen Diskussionen schadet sich die Industrie doch nur selbst.

esanum: Die Pharmaunternehmen besitzen ein Imageproblem. Kann der Transparenzkodex helfen, dieses zu verbessern?

Diener: Ja, denn Transparenz schafft Vertrauen. Das ist aber nicht das alleinige Ziel. Es geht vielmehr darum, deutlich zu machen, warum Ärzte oder andere Fachkreise mit den Industrieunternehmen zusammenarbeiten und warum das Gesundheitssystem diese Zusammenarbeit braucht. Am Ende profitiert der Patient – das wollen wir vermitteln.

esanum: Welche Änderungen erwarten Sie durch das Antikorruptionsgesetz?

Diener: Die Unternehmen der Pharmaindustrie begrüßen, dass es dieses gibt, da es gleiche Voraussetzungen für alle Marktteilnehmer schafft. Allerdings muss Klarheit herrschen, was überhaupt erlaubt ist und was nicht. Für FSA-Unternehmen ist es keine Umstellung, da der FSA-Kodex bereits regelt, wie Industrie und Fachkreise zusammenarbeiten dürfen. Kurzum: Halten sich Unternehmen und Fachkreise wie Ärzte an den FSA-Kodex, dann gibt es auch keine Probleme mit dem Antikorruptionsgesetz.