Tabelle 1: In den beiden linken Spalten ist die klinische Unterteilung nach Attacken- und Dauerkopfschmerzformen dargestellt. Die beiden rechten Spalten zeigen die pathophysiologischen Einteilungsmöglichkeiten in primäre und sekundäre Kopfschmerzformen (modifiziert nach 2).
Die Migräne verläuft in unterschiedlichen Phasen. Sie beginnt mit der 24-48 Stunden andauernden Prodromalphase. Ihr kann eine Aura mit einer Dauer von unter 1 Stunde folgen. Die daran anschließende Kopfschmerzphase beträgt 4-72 Stunden. Ihr schließt sich die Erholungsphase an. Baron betont, dass ihn als Neurologen die Migräneauren in ihren diversen Erscheinungsformen immer wieder aufs Neue faszinieren.
Eine Aura kann sich wie folgt bemerkbar machen: Sie beginnt in den meisten Fällen mit einer fortschreitenden Seh- oder auch Sensibilitätsstörung mit unilateral zum Gesicht hochlaufenden Parästhesien. Auren kommen bei 15% der Patienten vor. Sehstörungen zählen hierbei zu den häufigsten Formen der Aura, zur Verdeutlichung zieht Baron das Flimmerskotom heran. Einseitige Paresen zählen ebenso zu den Migräneauren. In einigen Fällen kann eine Aura ohne Kopfschmerz (migraine sans migraine) in Erscheinung treten. Diese Form ist eine wichtige Differentialdiagnose zum Schlaganfall. An die Aura schließt sich die Kopfschmerzphase an. Diese geht mit einseitig lokalisierten Kopfschmerzen von einem pulsierenden Charakter einher. Die Schmerzintensität ist mittelstark bis stark. Körperliche Aktivitäten führen zu einer Zunahme der Kopfschmerzen, daher sollte jede Form der körperlichen Aktivität vermieden werden. Weitere Symptome dieser Phase sind die Photophobie, Phonophobie, Übelkeit und auch Erbrechen.2
Die Migräneaura fasziniert Neurologinnen und Neurologen weltweit bereits seit mehreren Jahrzehnten. Bereits im Jahr 1941 wurde das Flimmerskotom im Detail als besondere Form der Migräneaura untersucht. Damals hat man schon vermutet, dass sich ausbreitende Depolarisationen eine wesentliche Rolle für die Migräneaura spielen. Seither gingen Wissenschaftler diesem spannenden Phänomen auf den Grund.2
In der Abbildung 1 ist im linken Abschnitt ein typisches Ausbreitungsmuster einer visuellen Migräneaura dargestellt. Im rechten visuellen Halbfeld sind fünf aufeinanderfolgende skizzierte "Schnappschüsse" eines wandernden visuellen Migräne-Aurasymptoms in Form eines Halbmondmusters erkennbar. Die Zahlen innerhalb des wandernden Skotoms geben die seit dem ersten Auftreten verstrichene Zeit in Minuten an. Im rechten Bildabschnitt ist eine Gesichtsfeldstörung durch umgekehrte retinotopische Kartierung abgebildet. Hier wird der betroffene Bereich auf ein flaches Modell des primären visuellen Kortex projiziert.3
Es wurde vermutet, dass der Migräneaura eine kortikale Spreizungsdepression zugrunde liegt.3 Baron stellt die wissenschaftliche Arbeit der Forschungsgruppe um Santos E. vor, die sich mit dieser Thematik befasst. Ziel der Arbeit von Santos E. et al. war es hämodynamische Merkmale und Ausbreitungsmuster von sich ausbreitenden Depolarisationen im gyrenzephalen Gehirn mittels intrinsischer optischer Signalbildgebung zu erfassen. Der Großteil der in Tierexperimenten quantifizierten ausbreitenden Depolarisationen erschien als radiale Wellen, die semi-planare Fronten entwickelten. Die Morphologie dieser Wellen wurde von der Oberfläche der Gyri, den Sulci und den Pialgefäßen beeinflusst. Weitere ausbreitenden Depolarisationensmuster waren Spiralen und nachhallende Wellen. Diese wurden bisher noch nie im gyrenzephalen Gehirnen beschrieben.4
Dieser Beitrag wurde auch im Rahmen unserer Berichterstattung zum Berlin Brain Summit 2022 veröffentlicht.