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Die Polymerase delta und die Krebsentstehung

Erstmals konnte ein bisher unbekanntes Immundefizienz-Syndrom nachgewiesen werden, welches auf einer verminderten Funktionalität des Enzymkomplexes Polymerase delta beruht und wichtige Erkenntnisse zur adaptiven Immunität und Krebsentstehung liefert.

Neuartiges Immundefizienz-Syndrom entdeckt

Erstmals konnte ein bisher unbekanntes Immundefizienz-Syndrom nachgewiesen werden, welches auf einer verminderten Funktionalität des Enzymkomplexes Polymerase delta beruht und wichtige Erkenntnisse zur adaptiven Immunität und Krebsentstehung liefert. Dieses Enzym ist eine wesentliche Steuereinheit in der DNA-Replikation. Wird es aufgrund von Mutationen in seiner Funktion beeinträchtigt, führt dies zu genomischer Instabilität, neurologischen Entwicklungsstörungen und Immundefizienz.

Gene sind Grundbausteine des Lebens und daher von essenzieller Bedeutung. Die für deren Vervielfältigung verantwortlichen Faktoren sind daher in fast allen Lebewesen in sehr ähnlicher Weise vorhanden und haben sich über die Jahrtausende kaum verändert. Ein solcher Faktor ist beispielsweise die Polymerase delta. Dieser Enzymkomplex ist nicht nur für die DNA-Replikation, sondern auch für die Stabilisierung des Genoms und die Regulierung des Zellzyklus ein zentrales Element. Polymerase delta setzt sich aus vier Bausteinen zusammen: POLD1 und die zusätzlichen Untereinheiten POLD2, POLD3 und POLD4. Organismen, die schwere Störungen solcher DNA-Polymerasen aufweisen, sind häufig nicht lebensfähig, was deren Beforschung naturgemäß erschwert.

Nun ist es WissenschaftlerInnen erstmals gelungen, zwei PatientInnen mit einem neuartigen Immunschwäche-Syndrom zu identifizieren, das auf einer verminderten Funktionalität von Polymerase delta beruht. Konkret konnten bei den nicht verwandten PatientInnen biallele Keimbahnmutationen, also von beiden Eltern vererbte Genveränderungen, in POLD1 und in POLD2 nachgewiesen werden. In beiden Fällen führte dies zu einem Immundefizienz-Syndrom mit wiederkehrenden Atemwegsinfektionen, Hautproblemen und neurologischen Entwicklungsstörungen.

Bei genauerer Untersuchung der Krankheitsmechanismen stellte sich heraus, dass der Zellzyklus in den Lymphozyten beider PatientInnen beeinträchtigt war. So traten bei der DNA-Replikation vermehrt Kopierfehler auf, die in der Zelle zu Warnmarkierungen auf der DNA führten und dadurch verantwortlich für die Funktionsstörung des Zellzyklus waren.

Da in diesem Fall nicht wie bei anderen Immunschwäche-Syndromen ein immunspezifischer Faktor gestört ist, sondern eine Grundfunktion der Zelle, liefern die diesem Syndrom zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen interessanterweise zusätzliche Schlüsselinformationen für andere Krankheitsbilder wie zum Beispiel Krebs bei Kindern.

Obwohl Immunzellen hier besonders betroffen waren, ist der Mechanismus, durch den Polymerase delta die Genomduplikation steuert, relevant für die Funktion aller Zellen. Eine Störung kann dramatische Konsequenzen im Gleichgewicht des Zellwachstums nach sich ziehen. So ist bekannt, dass bestimmte Mutationen in POLD1 zur Entstehung des "Mutator-Phänotyps“ beitragen, der zu genetischer Instabilität und damit zur Krebsentstehung beiträgt. Entsprechend ist POLD1 in einer internationalen Klassifizierung als hochgefährlicher Krebsverursacher eingestuft. Die hier beschriebenen angeborenen POLD1/2-Mutationen führen hingegen zu einer verminderten intrinsischen Aktivität (der "eigentlichen Aufgabe“) der Polymerase delta, mit möglicherweise erhöhter Neigung zur Krebsentstehung im Sinne eines Krebs-Prädispositionssyndroms.

Originalpublikation: Conde CD et al., Polymerase δ deficiency causes syndromic immunodeficiency with replicative stress. J Clin Invest. 2019; pii: 128903. doi:10.1172/JCI128903