Das diabetische Fuß-Syndrom (DFS) ist und bleibt ein Hot Topic. Durch die demografische Entwicklung nehmen Erkrankungen an Typ-2-Diabetes stetig zu - und damit auch die Anzahl der Patienten. Zwei bis zehn Prozent aller Diabetiker erleiden im Laufe ihrer Erkrankung eine Fußläsion. Nach 10 Jahren sind davon nur noch 30 Prozent am Leben. Was bedeutet das für die Patienten? Gesunde Menschen haben eine Lebenserwartung von etwa 82 Jahren. Bei Diabetes sinkt die Lebenserwartung um sechs Jahre, kombiniert man diese Diagnose noch mit einem Myokardinfarkt fällt diese sogar auf minus 12 Jahre. Neue Ansätze in der Wundversorgung geben jedoch Hoffnung auf ein längeres Leben ohne Amputationen.
Diabetische Fußgeschwüre sind schwere und gefährliche Wunden, die mit einem hohen Infektionsrisiko und Amputationen am Unterschenkel assoziiert sind. Als chronisch wird die Wunde dann definiert, wenn sie trotz kausaler und sachgerechter lokaler Behandlung innerhalb von mehreren Wochen keine eindeutigen Heilungstendenzen zeigt. Die schlechte Heilungstendenz hängt mit der mikrobiellen Besiedlung des Wundmilieus und dessen persistierender Entzündung zusammen. Dabei gelten Ulzera als neuro-ischämisch, wenn sowohl eine periphere Neuropathie als auch eine periphere Arterienerkrankung vorliegen. Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) wiederum hat eine hohe Inzidenz. Etwa 45 Prozent aller Patienten mit Typ-2-Diabetes leiden an einer assoziierten Gefäßerkrankung. Beispielhaft für Deutschland sind das drei Millionen von 6,5 Millionen Typ-2-Diabetes Patienten. Entsprechend des demografischen Wandels wird auch der Anteil der PAVK-Patienten zunehmen und damit auch das Risiko an einem diabetischen Fuß-Syndroms zu erkranken.
Offene Wunden sind immer anfällig für Infektionen. Beim diabetischen Fuß stehen Wunden teilweise monatelang offen. Durch häufige Rezidive und antibiotische Behandlungen nehmen multiresistente Keime zu und fördern damit Infektionen. Zugleich forschen Pharmafirmen weniger im Bereich der Antibiotika, was dramatische Folgen haben wird. Nichtsdestotrotz konnte glücklicherweise durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Verbreitung von spezialisierten Wundzentren ein kontinuierlicher Rückgang von Major-Amputationen verzeichnet werden. Pro Jahr werden in Deutschland jedoch noch ca. 12.000 dieser Amputationen durchgeführt. Hauptamputationsgrund ist nach wie vor eine Infektion.
Die Wundversorgung spielt hierbei eine große Rolle, wie auch die aktuelle EXPLORER-Studie darlegt. Die Studie bestätigte, dass die TLC-NOSF Wundauflage in ihrer arzneimittelähnlichen Eigenschaft die Mikrostruktur und sogar die Genexpression, den Metabolismus und die Fähigkeit der Zellen zur Anhaftung und Gruppierung beeinflussen kann. Neben dieser ersten randomisierten Studie zur Wundauflage zeigt auch die Forschung des Herz- und Diabeteszentrums Nordrhein-Westfalen unter der Leitung von Dr. Bernd Stratmann spannende und effektive Behandlungsoptionen mit Kaltplasma auf. Dafür wird Fischhaut, die der Haut des Menschen nahe kommt, dezellularisiert und als Wundmatrix verwendet. "Die Matrix wird auf die offene Wunde appliziert, so dass die Zellen schön von unten nach oben wachsen können", so der Forschungsleiter. Die antiseptische und granulationsfördernde Wirkung fördert den Wundheilungsprozess.
Doch selbst bei idealer Wundversorgung kann es zu Infektionen kommen. Kleine, unscheinbare Wunden können schwerwiegende Folgen haben. Deshalb ist die Diagnostik der lokalen arteriellen Probleme, der zugrunde liegenden Erkrankung sowie der Begleiterkrankungen unbedingt notwendig, um bei Risikopatienten zügig die optimalen Behandlungsschritte einleiten zu können. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass aufgrund von Multimorbiditäten der vielen älteren Patienten eine Ursachenklärung nicht immer gelingt. Das Mittesten der PAVK ist bei ihrer hohen Inzidenz unbedingt notwendig. Bei einem positiven Ergebnis muss eine Revaskularisation vorgenommen werden. Von pharmakologischer Seite werden Plättchenhemmer gegeben um Blutgerinnseln vorzubeugen und Statine, um die Gefäße zu schützen. Notfalls ist die Optimierung der Therapie erforderlich, denn eine gute Diabeteseinstellung kann das Risiko einer Amputation um ein Drittel reduziert. Eine Bedrohung der Extremität besteht immer dann, wenn sich eine Infektion nicht in den Griff bekommen lässt und dann gilt nach wie vor „life for limb“.
Das Behandlungsziel bleibt immer eine vollständige Abheilung der Wunde. Weitere Ziele der Wundbehandlung sind dauerhafter Wundverschluss, Verkürzung der Wundheilungsdauer, Vermeidung von Folgeschäden und eine hohe Patientenzufriedenheit. Allerdings muss der Patient verstehen, dass immer nur eine Reparatur vorgenommen werden kann, keine Heilung. Sie müssen in der Nachsorge bleiben und dabei sollte die Verbesserung der Durchblutung im Vordergrund stehen. Behandlungsoptionen, die darauf abzielen die Wunde abzuheilen, stehen aktuell besonders im Fokus. Eine rechtzeitige stationsgerechte Grundversorgung ist dabei genau so entscheidend wie neue Ansätze in der Wundauflage.