Alzheimer, Ebola, Aids: Göttinger Forscher suchen nach Mitteln gegen bisher unheilbare Krankheiten. Nicht jedem gefällt, dass sie dabei Versuche mit Affen machen.
Die Paviane hocken träge auf dem Boden. Einige kauen scheinbar gelangweilt ihr Futter. Es riecht nach Kot. Plötzlich wildes Gebrüll. Metall scheppert, ein Schrei. Der Besucher direkt vor dem Gehege erstarrt vor Schreck - ohne den stabilen Drahtzaun zwischen sich und dem Pavian-Boss hätte er die Blitzattacke wohl kaum unverletzt überstanden.
Der Mann ist zu dicht an das Gehege herangegangen. "Man muss zwei Meter Abstand halten", sagt Susanne Diederich, Sprecherin des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen. Das ist die Regel für alle Besucher, die bei angemeldeten Führungen die Affen in den Außengehegen des Zentrums beobachten dürfen.
"Wir sind kein Zoo", sagt Diederich. Auch deshalb dürfe niemand den Primaten zu nahe kommen, zudem sollen die Tiere nicht aus Versehen mit Krankheitserregern infiziert werden. "Das wäre eine Katastrophe. Dann müssten sie eingeschläfert werden", sagt die Sprecherin.
In den kommenden Wochen rechnet das Primatenzentrum mit deutlich mehr Besuchern als sonst, denn zum 40-jährigen Bestehen der Einrichtung haben die Wissenschaftler eine Ausstellung über die biologische Forschung des Zentrums mit Affen in aller Welt konzipiert.
Rund 1300 Primaten werden derzeit in Göttingen gehalten, neben den Pavianen unter anderem Rhesusaffen, Weißbüschelaffen und Mausmakis. Die Tiere werden für andere wissenschaftliche Institute in Deutschland, aber auch für die eigene Arbeit gezüchtet. Geforscht wird in den Abteilungen Neurowissenschaften, Infektionsforschung und Primatenbiologie. Unter anderem suchen die Göttinger Forscher nach Mitteln gegen bisher unheilbare Krankheiten.
In der Anfangszeit nach der Eröffnung des Primatenzentrums im Jahr 1977 gab es immer wieder Schlagzeilen, weil Tierschützer Sturm gegen die Einrichtung liefen. Zuletzt seien größere Proteste gegen die Arbeit des zur Leibniz-Gemeinschaft gehörenden Zentrums aber eher die Ausnahme, sagt Diederich. Sie führt dies auch auf die Transparenz zurück. "Jeder, der zu uns kommen will, kann kommen. Wir machen Führungen. Wir laden alle ein, sich unsere Tierhaltung anzuschauen."
Der Verein "Ärzte gegen Tierversuche" zeigt sich davon aber unbeeindruckt. Er hat seine Kritik an der biomedizinischen Forschung des Zentrums, die in der Jubiläums-Ausstellung nicht thematisiert wird, erneuert. Viele Versuche an Affen seien überflüssig oder ließen sich durch alternative Verfahren ersetzen, sagt Sprecherin Julia Schulz. Der Ärzteverein hatte die Tierversuche in Göttingen bereits wiederholt als grausam und medizinisch irrelevant bezeichnet.
Die Sprecherin des Primatenzentrums weist die Vorwürfe zurück. Affen würden nur dann für Versuche genutzt, wenn Fragen zur Erforschung bisher unheilbarer Krankheiten nicht mit alternativen Methoden zu beantworten seien. "Tierversuche sind nötig, um Therapien für Krankheiten zu entwickeln, die bisher nicht geheilt werden können, zum Beispiel die Parkinsonsche Krankheit, Alzheimer und Demenz, aber auch Ebola oder Aids", sagt Diederich. Es gebe neurologische Fragestellungen, die nur durch Untersuchungen an einem Gehirn beantwortet werden könnten, das Leistungen erbringe, die der eines menschlichen Gehirns ähnlich seien.
Unabhängig davon hat Niedersachsens Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Grüne) ihr Vorhaben bekräftigt, die Zahl der Tierversuche in ihrem Bundesland grundsätzlich zu reduzieren. Solche Versuche dürften in der Forschung nur noch als letzte mögliche Lösung eingesetzt werden, sagt die Grünen-Politikerin. Niedersachsen hat deshalb in diesem Jahr einen mit 4,5 Millionen Euro ausgestatteten neuen Verbund auf den Weg gebracht, mit dem Ersatz- und Ergänzungsmethoden gefördert werden sollen.
Auch das Deutsche Primatenzentrum ist an diesem Verbund beteiligt, berichtet Ministeriumssprecher Jan Haude. Unter anderem sollen dabei Methoden erforscht werden, die Versuche am lebenden Tier durch Untersuchungen an Organen und durch Forschung an Zellkulturen ersetzen, um den Tieren Qual und Leid zu ersparen.
Auch für das Deutsche Primatenzentrum sei es vorteilhaft, möglichst wenig Tierversuche zu machen, sagt Sprecherin Diederich. "Wir freuen uns über jede Alternativmethode und forschen auch selbst daran." Alternativmethoden seien nämlich preiswerter und schneller.