Prof. Dr. Alexander EnkÄrztlicher Direktor der Universitäts-Hautklinik Heidelberg
"Dermatologen sind ein weiterbildungsfreudiges Völkchen." Fragen an Prof. Dr. Alexander Enk, ärztlicher Direktor der Universitäts-Hautklinik Heidelberg, Kongresspräsident der 49. DDG-Tagung in Berlin.
esanum: Dermatologie wird immer erfolgreicher. Welche wissenschaftliche Innovation hat Sie zuletzt besonders beeindruckt?
Enk: Vor allem die Forschungsergebnisse und daraus resultierenden Therapien beim Schwarzen Hautkrebs. Hier haben wir in den letzten fünf, sechs Jahren therapeutische Durchbrüche in Serie erlebt. Es gelingt uns, selbst Patienten mit fortgeschrittenen Tumor-Stadien zumindest in langfristigere Remissionen zu überführen. Man kann sogar in einigen Fällen von Heilung sprechen. Wenn man bedenkt, dass bis vor sechs Jahren der Tumor noch als völlig unheilbar galt, ist das schon eine echte Sensation. In fortgeschrittenen Stadien war es bislang ganz sicher, der Patient wird sterben, mit ganz seltenen Ausnahmen. Und das ist mittlerweile bei 50 Prozent der Patienten nicht mehr so.
esanum: Was hat den Durchbruch gebracht?
Enk: Es gibt zwei therapeutische Säulen, die neu sind. Einmal hat man gelernt, Mutationen im Tumor zu detektieren und zu reparieren, mit sogenannten 'small molecules'. Das gelingt allerdings nur bei den Patienten, die die entsprechenden Mutationen haben, das sind ca 40 Prozent. Diesen Patienten kann man zwei, drei oder vier Jahre zusätzlich verschaffen. Und mit den Immuntherapien kann man in einigen Fällen sogar Heilungen erzielen. Die Antikörpertherapien zielen darauf ab, das eigene Immunsystem gegen den Tumor zu mobilisieren. Diese Therapien kann man bei allen Patienten mit Schwarzem Hautkrebs anwenden. Sie haben aber den Nachteil, dass sie Wochen bis Monate brauchen, um zu wirken, weil wir ja das körpereigene Immunsystem erst stimulieren müssen. So viel Zeit hat nicht jeder Patient, wenn er sehr große Tumoren hat. Aber falls der Patient dann die passende Mutation hat, kann man ihm sehr rasch helfen. Die small molecule Inhibitoren helfen von einem Tag auf den anderen.
esanum: Was können Sie heute insgesamt besser als vor zwanzig, dreißig Jahren?
Enk: Wir können Hauterkrankungen molekular besser charakterisieren. Wenn sich unsere Vorgänger vor allem auf die Beschreibung des Hautbildes und rückschließend auf die Ursache der Erkrankung haben stützen müssen, kennen wir mittlerweile die ursächlichen Moleküle von sehr vielen Erkrankungen. Wir können sagen, da gibt es diesen Gendefekt, der zu jener Erkrankung führt. Und darauf aufbauend können wir die Therapien gezielter entwickeln. Diese Fortschritte basieren alle auf einer sehr guten Grundlagenforschung, wie sie in der Dermatologie seit vielen Jahrzehnten propagiert wurde. Die Dermatologen waren die Vorreiter. Wir sind die ersten gewesen, bei denen das wirklich funktioniert hat und auch die ersten, die die neuen Immuntherapien eingesetzt haben. Daher ist z. B. der Schwarze Hautkrebs mittlerweile eine Art Modelltumor, auch weil er als besonders immunogen gilt. Auch hier hat die Dermatologie als sehr wissenschaftliches Fach die Maßstäbe gesetzt.
esanum: Genetische Ursachen bringen ja aber nicht automatisch eine passende Therapie?
Enk: Stimmt, aber das ging ganz gut Hand in Hand mit der Überführung in therapeutischen Nutzen. Man hat die genetischen Veränderungen beim Melanom erstmals vor zwölf Jahren entdeckt. Es war ein deutscher Dermatologe (B. Bastian), der sie beschrieben hat. Und darauf aufbauend hat dann die Industrie die entsprechenden Moleküle entwickelt.
esanum: Sehen Sie weitere Chancen für bessere Therapien bei Hautkrebs?
Enk: Generell ist der Trend zur personalisierten Medizin auch in der Dermatologie ganz stark. Wir lernen immer besser, Tumoren molekular zu charakterisieren. Und damit auch, auf den Patienten zugeschnittene Therapien zu designen. Stichworte sind Ganzgenomanalyse und die Proteomanalyse eines Tumors und die darauf zugeschnittene Therapie. Da geht die Zukunft hin. Hier in Heidelberg machen wir das schon für ausgewählte Patienten mit unserem personalisierten molekularen Tumorboard. Es ist beachtlich, was man da für die Patienten herausholen kann. Die Resistenzmechanismen sind ja unterschiedlich von Patient zu Patient. Und wenn man von vornherein klären kann, auf welche Therapie der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit anspricht, kann man ihm die Nebenwirkungen einer unwirksamen Therapie ersparen und sehr viel zielgerichteter unsere Ressourcen einsetzen. Im Augenblick behandeln wir immer noch 50 Prozent der Patienten umsonst, weil wir einfach nicht wissen, welches Medikament bei wem anspricht.
esanum: Was hat die pharmazeutische Industrie sonst noch Neues in der Pipeline, auf das Sie sich freuen können?
Enk: Es sind weitere Antikörpertherapien sowohl zur Schuppenflechte als auch zum Melanom in Studien in der Erprobung. Das heißt, wir werden weitere Durchbrüche und Neuerungen in diesen beiden Feldern erleben. Dazu kommen neue Entwicklungen bei der Neurodermitis. Auch hier gibt es Antikörperbehandlungen, die sehr vielversprechend sind und sich jetzt gerade kurz vor der Zulassung befinden.
esanum: Bei der Psoriasis kommen Sie auch gut voran?
Enk: Das ist der zweite therapeutische Durchbruch, den wir in den letzten Jahren erlebt haben. Hier gibt es ebenfalls die modernen Antikörper-Therapien, die aber ganz anders angreifen als beim Melanom. Hier schaltet man quasi Entzündungsfaktoren über die Antikörper ab. Die ersten Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor sind seit etwa zehn Jahren im klinischen Gebrauch. Sie wurden erstmals für Rheumapatienten entwickelt, bei Polyarthritis, und man hat zufällig festgestellt, dass davon auch die Schuppenflechte einiger Patienten besser wurde. Daraufhin hat man die TNF-Antagonisten gezielt entwickelt. Aufbauend darauf sind die Erkenntnisse der Pathogenese dieser Erkrankung auch besser geworden. Und jetzt haben wir die IL 17 Antikörper, die die Kaskade der Entzündung bei der Schuppenflechte einfach abdrehen.
esanum: Wird man bald auch die eher harmlosen, aber lästigen Hautveränderungen, wie z. B. Alterswarzen, genetisch auf die Schliche kommen?
Enk: Nein, das erforscht kaum einer. Das sind im Vergleich zum Hautkrebs ja Petitessen. Das bringt einen nicht um und deswegen lohnt sich der Forschungsaufwand vielleicht weniger. Obwohl, sie haben Recht, man könnte damit viel Geld verdienen, wenn man etwas fände, was mit geringem Aufwand diese Dinge eliminieren würde. Aber wir sehen das Problem bei anderen nicht tödlichen, aber lästigen Veränderungen wie z. B. Haarausfall bei Frauen. Da gibt es viel Forschung, aber bislang noch keine Lösung. Wer die findet, wird über Nacht reich.
esanum: Welche Rolle spielen bildgebende Verfahren und neue Medien?
Enk: Die Bildgebung ist in der Dermatologie zunächst weniger wichtig. Wir können ja die Erkrankung auf der Haut sehen. Wenn wir Bildgebung sagen, dann meinen wir eine Fortentwicklung der Dermatoskopie, mit der wir Hautveränderungen vergrößern können. Hier werden die Methoden feiner, z. B. mit konfokalen Lasermikroskopen, die eine größere Auflösung bieten. Und es gibt ganz neue Auswerteverfahren. Vor zwei Monaten erst wurde publiziert: es gibt jetzt Auswerteinheiten, in denen die Informationstechnologie so weit fortgeschritten ist, dass per Computerverfahren die Diagnose “gutartig – bösartig“ bei Muttermalen gestellt werden kann. Mit einer Trefferquote wie sie auch ein guter Dermatologe erzielt.
esanum: Wenn die Trefferquote nicht besser ist als beim Arzt, welchen Gewinn bringt das Verfahren dann?
Enk: Ein guter Dermatologe erreicht eine Quote von 80 Prozent, besser werden wir nicht. Aber man muss bedenken, nicht überall sind Dermatologen verfügbar. Es ist ein Riesenproblem, dass wir auch im ländlichen Raum die Versorgung sicherstellen müssen. Wir sind 5.000 bis 6.000 Dermatologen in Deutschland. Und aufs Land will keiner. Wir sind drauf angewiesen, dass wir eine gute Bildübertragung in die Praxen bekommen. Dass wir mit der Telemedizin bestimmte Diagnosen stellen können.
esanum: Wie reagieren die Dermatologen, sowohl die niedergelassenen wie die in den Kliniken, auf so viel Neues? Sind alle immer up to date?
Enk: Die Dermatologen sind ein weiterbildungsfreudiges Völkchen. Und sie kümmern sich sehr gut um ihre Patienten. Im niedergelassenen Bereich steht und fällt natürlich vieles mit einer adäquaten Vergütung. Und wenn der Gesetzgeber zum Beispiel die Telemedizin entsprechend vergütet, wird das sehr schnell auch in der Breite angenommen werden. Das ist aber leider gerade gescheitert. Erst waren alle begeistert, doch dann haben sich anscheinend die Krankenkassenvertreter im GBA durchgesetzt, sodass es lediglich eine Ausstattungsvergütung gibt. Das wird die Telemedizin nicht fördern.
esanum: Was werden die programmatischen Highlights des Dermatologen-Kongresses sein?
Enk: Ein Schwerpunkt sind die neuen Therapien beim Melanom und bei der Schuppenflechte. Dazu gibt es zahlreiche Schwerpunktveranstaltungen. Dann haben wir einen deutlichen Fokus auf der Weiterbildung unseres Nachwuchses gelegt. Es gibt ein eigenes Assistenten-Track-Verfahren. Und wir werden als Novum eine berufspolitische Fragestunde haben, eine Podiumsdiskussion mit Politkern und Krankenkassenvertretern.