Im Magazin The Lancet Infectious Diseases haben Michael Schwameis und seine Kollegen als erste über eine klinische Studie am Menschen berichtet, die sich mit der Sicherheit und Immunogenität eines Toxoidimpfstoffes gegen das TSST-1 des Bakteriums Staphylococcus aureus befasst.
Vor knapp 40 Jahren wurde ein S. aureus-Exotoxin identifiziert und mit dem Toxic Shock Syndrome (TSS) in Verbindung gebracht. Das TSS ist eine potentiell tödliche Erkrankung mit plötzlichem Beginn und Symptomen wie Fieber, Hypotension, Ausschlag, Multiorganversagen sowie Desquamationen an Händen und Füßen ein bis zwei Wochen nach Infektion. Das Exotoxin TSST-1 wurde aufgrund seiner Fähigkeit zur immunologischen Überstimulation als Superantigen klassifiziert, was es von anderen Antigenen unterschied. Seitdem wurde TSST-1 mit allen menstruationsassoziierten Fällen und fast der Hälfte aller nicht menstruationsassoziierten Fälle des TSS in Verbindung gebracht. Während die TSST-1-Antikörpertiter im Serum mit dem Alter ansteigen, sind Patienten ohne neutralisierende Antikörper – besonders junge Erwachsene und Kinder – einem erhöhten Risiko ausgesetzt, diese ernsthafte Erkrankung zu entwickeln. Trotz dieser wichtigen Entdeckung, die bereits vor mehreren Jahrzehnten gemacht wurde, gibt es bis heute keine spezifische Therapie oder präventiven Maßnahmen für das TSS.
Schwameis und seine Kollegen setzten eine rekombinante, nicht mehr toxische TSST-1-Variante (rTSST-1v) ein und schlossen gesunde Erwachsene in ihre Studie ein, denen randomisiert höhere Dosen verabreicht wurden. Patienten in der Placebogruppe erhielten ein adjuvantes Vergleichspräparat. RTSST-1v ist ein doppelt mutiertes Vakzin, das nicht an seine normalen immunologischen Zielzellen, MHC-II-Moleküle oder T-Zell-Rezeptoren binden kann. Das Vakzin wurde von allen 33 Studienteilnehmern gut vertragen – impfassoziierte Nebenwirkungen traten nicht auf. Es wurden gleiche Raten unerwünschter Ereignisse in der rTSST-1v-Gruppe und in der Placebogruppe beobachtet. Nach der ersten Immunisierung induzierte der Impfstoff einen 15-fachen Anstieg des Antikörpertiters und einen 28-fachen Anstieg nach der zweiten Impfung. Zu Beginn der Studie wurden bei 80% der geimpften Probanden positive Antikörper gegen TSST-1 im Serum gefunden. Die Antikörper waren funktionstüchtig und neutralisierten die T-Zell-Aktivierung sowie die Induktion proinflammatorischer Zytokine.
Diese Studie repräsentiert einen ersten wichtigen Schritt in Richtung Etablierung der Entwicklung eines sicheren Impfpräparates gegen S. aureus-Exotoxin, das eine tödliche Krankheit auslösen kann. Nichts desto trotz muss hier noch weiter geforscht werden. Die Studie wurde als zweimaliges Impfregime designt. Und obwohl die Impfung bei Probanden mit präexistenten Antikörpertitern zum Anstieg funktionstüchtiger Antikörper führte, kam es bei zwei Probanden ohne Antikörper nicht zu der beschriebenen Reaktion, was eine zusätzliche dritte Impfdosis notwendig machte. Darüber hinaus ist ein Schutz durch die rTSST-1v-Immunisierung kompliziert – sie schließt nicht nur die humorale Immunantwort ein, sondern auch die zellvermittelte (was in der Studie initial so nicht vorgesehen war).
S. aureus verursacht beim Menschen ein weites Spektrum an Krankheiten, angefangen mit milde verlaufenden Haut- und Weichteilinfektionen bis hin zu schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten wie Pneumonie und TSS. Den menschlichen Organismus zeichnet ein hoher Grad genetischer Diversität aus, und seine Fähigkeit, Infektionen auszubilden, variiert je nach virulentem Faktor. S. aureus führt mit seinen redundanten Zelloberflächen und virulenten Exotoxinfaktoren – einschließlich Zytotoxine und Superantigene – zu einer Plethora und einer Vielzahl assoziierter Krankheiten. Aus diesem Grund ist die Selektion eines adäquaten Zieles bei der Impfstoffentwicklung kompliziert.
Historisch gesehen konzentrierte man sich bei der Vakzinentwicklung gegen S. aureus auf Zelloberflächenkomponenten, weil diese Faktoren genetisch fixiert sind und so zur Fähigkeiten des Organismus beitragen, körperfremde Stoffe zu binden und so zu überleben. Und trotz erfolgreicher präklinischer Studien waren verschiedene andere Studien zur Entwicklung eines humanen Vakzins gegen S. aureus-Oberflächenantigene nicht erfolgreich. Diese gescheiterten Studien legen nahe, dass präklinische Modelle zur Determinierung der Wirksamkeit eines Impfstoffes gegen S. aureus wichtig sind, weil sich die Standardmausmodelle als weniger sensibel bezüglich Zytotoxinen und Superantigenen erwiesen haben. Damit ist die Verfolgung der S. aureus-Exotoxine, einschließlich der Superantigene, als potentielle Vakzinantigene entscheidend – nachdem man sich jahrzehntelang auf Oberflächenantigene konzentriert hat. Darüber hinaus ist ebenfalls der Einsatz präklinischer Modelle mit Sensitivität auf Superantigene und Zytotoxine sowie wiederholter TSS von Bedeutung.
Schwameis und seine Kollegen haben die ersten Schritte in der Entwicklung eines monovalenten Impfstoffes gegen TSST-1 bei S. aureus- und assoziierten Infektionen beschrieben. Dennoch betonen die Autoren die Relevanz der Entwicklung eines polyvalenten Wirkstoffes mit mehreren S. aureus-Antigenen. Es wäre vorstellbar, dass solch ein Vakzin verschiedene Virulenzfaktoren enthält, einschließlich Superantigene und Zytotoxine. Das ultimative Vakzin würde Schutz vor verschiedenen genetisch unterschiedlichen Isolaten mit unterschiedlichen Antibiotikaresistenzen bieten – und so invasive S. aureus-Infektionen verhindern. Bleibt zu hoffen, dass es nicht noch einmal 40 Jahre dauert, bis die Suche nach einem Impfstoff gegen das TSS und die anderen tödlichen Krankheiten, die S. aureus verursacht, von Erfolg gekrönt wird.
Text: esanum / mk
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