Die schockierende Mordserie des Krankenpflegers Niels H. hat viele Patienten verunsichert. Um Fehler in Zukunft schneller festzustellen, hat das Krankenhaus in Delmenhorst eine unabhängige Leichenschau eingeführt.
Um die Sicherheit für Patienten zu verbessern, führt das Krankenhaus in Delmenhorst seit dem 1. März 2017 eine qualifizierte Leichenschau durch. Externe Mediziner der Bremer Gerichtsmedizin nehmen dabei eine zweite Begutachtung der Toten vor. Wissenschaftlich wird das Projekt von der Medizinischen Hochschule Hannover begleitet. Grund für die neuen Vorschriften ist die Mordserie des Krankenpflegers Niels H., der an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst Patienten gefährliche Medikamente gespritzt hatte, um sie als Held zu reanimieren. Viele Patienten überlebten dies nicht. Niels H. hatte vor Gericht im Februar 2015 bis zu 90 Taten gestanden. Ermittler prüfen immer noch weitere Verdachtsfälle.
Bei Menschen, die im Krankenhaus sterben, muss ein Arzt den Tod feststellen. Wenn der Patient nach Meinung des Arztes eines natürlichen Todes gestorben ist, stellt er anschließend einen Totenschein aus. Danach wird die Leiche von einem Bestattungsinstitut abgeholt.
Wie auch an anderen Krankenhäusern in Niedersachsen stellt ein Arzt den Tod fest und füllt einen Totenschein aus. Zusätzlich muss ein Arzt in Delmenhorst aber auch einen Dokumentationsbogen ausfüllen. In diesem müssen Informationen zum Verlauf der Krankheit und zur Todesursache vermerkt werden, zum Beispiel, ob es untypische Komplikationen im Krankheitsverlauf gab. Anschließend wird der Tote in die Leichenhalle gebracht. Ein externer Mediziner vom Ärztlichen Beweissicherungsdienst muss die Leiche dann noch einmal begutachten. Er prüft die Angaben des ersten Arztes und stellt eine zweite Bestätigung aus, die in die Patientenakte eingeht. Erst danach wird die Leiche vom Bestatter abgeholt. "Die Verfahrensanweisung vom Tod bis zum Abtransport wurde mit allen Akteuren erstellt und auch mit dem Gesundheitsministerium abgestimmt", erklärt Heike Büssing, Klinische Direktorin am Josef-Hospital Delmenhorst.
"Es ist ein Sicherheitsfaktor, auch für die Ärzte", sagt Frank Starp, ärztlicher Direktor im Josef-Hospital. Unsicherheiten bei der Leichenschau würden durch eine unabhängige Zweitmeinung ausgeräumt. Es habe auch schon Rückfragen von externen Medizinern gegeben, die in Gesprächen geklärt werden konnten. "Das Ganze wird ernst genommen", sagt Starp. Positive Erfahrungen hat auch Michael Birkholz, Geschäftsführer des Ärztlichen Beweissicherungsdienstes (ÄBD) in Bremen, gemacht: "Wir werden nicht als Störenfriede oder Besserwisser gesehen, sondern ins Team aufgenommen". Der Umgang mit der Leichenschau sei bewusster geworden, sagt Klinikchef Thomas Breidenbach. Die Überprüfung durch die externen Mediziner werde nicht als Vorverurteilung, sondern als Qualitätsbestätigung gesehen.
"Die Patientensicherheit hat sich auf alle Fälle erhöht", sagt Breidenbach. Die qualifizierte Leichenschau sei aber nur eine von vielen Maßnahmen, die nach der Mordserie von Niels H. in den vergangenen zwei Jahren eingeführt wurden. Daneben besprechen die Ärzte etwa bei einer Mortalitätskonferenz wöchentlich die Todesfälle. Es wurde auch eine anonyme Stelle eingerichtet, an die sich Mitarbeiter bei einem Verdacht von Unregelmäßigkeiten weden können.
"Es wird nicht möglich sein, eine Straftat zu verhindern", sagt Mediziner Starp. Die qualifizierte Leichenschau ist keine Obduktion oder Untersuchung auf bestimmte Medikamente. Laut Klinikchef Breidenbach wäre ein Test auf Medikamente ohne konkreten Verdacht praktisch nicht möglich und zu aufwendig. Das Maßnahmenpaket sei aber eine Abschreckung für mögliche Täter.
Klinikchef Breidenbach hält die Einführung dieses Modells bei anderen Krankenhäusern für möglich. Er habe auch schon einige Anfragen erhalten. Viele Kliniken schrecken jedoch vor den Kosten zurück. Das Delmenhorster Krankenhaus zahlt pro Patient rund 125 Euro für die Extra-Leichenschau aus eigenen Mitteln. Nach Angaben des Niedersächsischen Sozialministeriums ließe es sich auch in anderen Krankenhäusern einführen. Das Niedersächsische Bestattungsgesetz wird derzeit überarbeitet. "Dass man es in einem Flächenland nicht sofort einführen kann, sollte nicht dazu führen, dass man es gar nicht einführt", sagt Birkholz.