Sowohl Übergewicht und Adipositas als auch die Zahl der Neuerkrankungen mit einem Diabetes mellitus Typ 2 nehmen in Deutschland seit Jahren kontinuierlich zu. Dass diese Entwicklungen parallel verlaufen, ist kein Zufall, denn Adipositas ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für diesen Diabetestyp. Welche Maßnahmen auch von politischer Seite ergriffen werden müssen, um die Volkskrankheit Adipositas – und damit auch den Diabetes – zurückzudrängen, haben Fachleute der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) auf der Jahrespressekonferenz am 2. März 2021 diskutiert.
Menschen mit Adipositas sind sechs- bis zehnmal so häufig von einem Typ-2-Diabetes betroffen wie Normalgewichtige – und bereits heute steht rund jeder fünfte Todesfall in Deutschland mit einem Diabetes in Zusammenhang. "Allein diese Zahlen sollten Grund genug sein, um endlich auch politisch gegen den stetigen Anstieg von Adipositas und Diabetes vorzugehen", sagt Professor Dr. med. Monika Kellerer, Präsidentin der DDG und Ärztliche Direktorin der Klinik für Innere Medizin I am Marienhospital Stuttgart. Doch wichtige Forderungen von Seiten der Medizin blieben bei der Politik bislang ungehört.
Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), den Zuckeranteil in verarbeiteten Lebensmitteln deutlich zu senken, stark zuckerhaltige Getränke stärker zu besteuern und ungesunde, auf Kinder zugeschnittene Produkte mit einem Werbeverbot zu belegen, sind in Deutschland noch immer nicht umgesetzt. "Wie sich in anderen Ländern gezeigt hat, sind diese Maßnahmen besonders effektiv, weil sie alle Menschen in ihrem Alltag erreichen", sagt Kellerer. In Deutschland sei dagegen auf eine freiwillige Zuckerreduktion durch die Hersteller gesetzt worden – ein Plan, der offensichtlich nicht aufgegangen sei. Noch immer seien Produkte für Kinder oft diejenigen mit den höchsten Zuckeranteilen.
Die DDG fordert, dass die Maßnahmen der Nationalen Diabetesstrategie (NDS), die der Bundestag im vergangenen Sommer beschlossen hat, nun zügig umgesetzt werden, denn ein wichtiger Baustein der NDS seien auch gezielte Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Adipositas. "Den Entwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG), das die Einrichtung eines strukturierten Behandlungsprogramms – eines Disease Management Programm (DMP) für Adipositas –vorsieht, begrüßen wir sehr", sagt Kellerer. Damit bekämen Menschen mit Adipositas Zugang zu einer kontinuierlichen, strukturierten und qualitätsgesicherten Behandlung – möglichst bevor es zu einem manifesten Diabetes kommt. Evidenzbasierte Leitlinien für die Behandlung haben die DDG und die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG) bereits vorgelegt, und auch die entsprechenden Versorgungsstrukturen sind bereits vorhanden. "Im Rahmen des DMP für Typ-2-Diabetes sind in den letzten Jahren gute interdisziplinäre Strukturen und Behandlungsteams aufgebaut worden", so Kellerer. Aufgrund der engen Verzahnung der beiden Krankheitsbilder könnten diese auch für ein DMP Adipositas optimal genutzt werden.