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„Das Miteinander von GKV und PKV garantiert kurze Wartezeiten für alle“

  Dr. Volker Leienbach, Direktor der Geschäftsführung des Verbands der Privaten Krankenversicherung, über Wartezeiten auf Facharzttermine, die Vorteile des Dualen Gesundheitssystems und die Be

 

Dr. Volker Leienbach, Direktor der Geschäftsführung des Verbands der Privaten Krankenversicherung, über Wartezeiten auf Facharzttermine, die Vorteile des Dualen Gesundheitssystems und die Bedeutung von Privatpatienten für Arztpraxen

esanum: In den vergangenen Jahren wurde in Deutschland viel über das Duale Krankensystem diskutiert. Welches sind die größten Vor- und Nachteile dieses Systems?

Leienbach: Das deutsche Gesundheitssystem gehört dank des Miteinanders von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung zu den besten der Welt. Es zeichnet sich insbesondere durch eine weitgehend freie Arztwahl für die Patienten und eine große Therapiefreiheit für die Ärzte aus. Lange Wartezeiten oder Rationierungen, wie es sie in Ländern mit einem einheitlichen Sicherungssystem gibt, sind bei uns unbekannt. Das Nebeneinander von Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung sorgt stattdessen dafür, dass den Ärzten bei der Behandlung von gesetzlich und privat versicherten Patienten gleichermaßen ein hoher Grad an Unabhängigkeit erhalten bleibt und sie weitestgehend frei in ihren medizinischen Entscheidungen sind. Das liegt vor allem daran, dass durch die Existenz der PKV ein Konkurrenzangebot zur GKV besteht, das Einschnitte in den gesetzlich vorgeschriebenen Leistungskatalog schwerer durchsetzbar macht. Die Konkurrenz durch die PKV und ihr hochwertiges Leistungsversprechen schützt insofern auch die 70 Millionen gesetzlich Versicherten vor Rationierung. Wie viel schlechter es den Patienten in Einheitssystemen geht, sieht man dagegen beispielsweise in Großbritannien, wo über fünf Millionen Menschen auf Wartelisten stehen, oder in Spanien und Dänemark, wo die Menschen nicht einmal ihren Hausarzt frei wählen dürfen.

esanum: Für welche Berufsgruppen macht eine Private Krankenversicherung Sinn? Inwieweit profitieren diese Gruppen?

Leienbach: Der Zugang in die Private Krankenversicherung

ist ja gesetzlich genau reglementiert. Im Wesentlichen dürfen Beamte und Selbstständige unabhängig von ihrem Einkommen sowie Angestellte mit einem Verdienst über der Versicherungspflichtgrenze in die PKV wechseln. Für jede dieser Gruppen macht der Wechsel Sinn: Für Beamte ergibt sich das allein schon dadurch, dass die PKV anders als die GKV als Ergänzung zur Beihilfe abgeschlossen werden kann. Damit können sie nicht nur die medizinische Versorgung zu hundert Prozent auf dem Beihilfeniveau absichern – oft sogar darüber hinaus –, sondern müssen auch nur einen Beitrag für die Kostenanteile bezahlen, die die Beihilfe offenlässt.
Aber auch für Angestellte und Selbstständige lohnt es sich, über einen Wechsel nachzudenken: Denn anders als die Gesetzliche Krankenversicherung garantiert die PKV ihren Versicherten ein Leben lang unkürzbare Leistungen auf dem neuesten medizinischen Stand – freie Arztwahl inklusive. Während der Leistungsumfang in der GKV in weiten Teilen vom Gesetzgeber festgelegt ist, ist die Absicherung in der PKV vertraglich vereinbart und genießt damit rechtlichen Schutz. Sie lässt sich nachträglich weder von der Politik noch vom Versicherungsunternehmen rationieren. Anders als in der Gesetzlichen Krankenversicherung, deren Leistungen stets „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein müssen, zählt in der PKV zudem nur das Kriterium der medizinischen Notwendigkeit. Das umfasst grundsätzlich auch innovative Diagnose- und Therapieverfahren sowie neue Arzneimittel, die von der Fachwelt als sinnvoll anerkannt werden. Viele Versicherte legen auch Wert auf die große Wahlfreiheit in der PKV: Im Unterschied zur GKV erlaubt der Gesetzgeber Privatversicherten, ihre Absicherung in großen Teilen frei zu gestalten.

esanum: Auf welche Weise kann die Private Krankenversicherung einen Beitrag dazu leisten, die Qualität hoch und die Gesundheitskosten niedrig zu halten?

Leienbach: Nur die Private Krankenversicherung steht für eine nachhaltige Finanzierung der Gesundheitskosten. Denn in der GKV tickt systembedingt eine Zeitbombe: Ihre Umlagefinanzierung ist darauf angewiesen, dass die Erwerbstätigen die Kosten der älteren und dann häufig kränkeren Versicherten mittragen. Je weniger Erwerbstätige und je mehr Ältere und Kränkere es gibt, umso teurer wird es somit für die Erwerbstätigen – die Folge sind höhere Beiträge oder Leistungskürzungen für alle. Genau das ist angesichts des demografischen Wandels in Deutschland zu erwarten. In der Privaten Krankenversicherung sind die Beiträge dagegen generationengerecht finanziert: Sie sind schon bei Vertragsbeginn so kalkuliert, dass sie Vorsorge für den höheren Bedarf an Gesundheitsleistungen der älter werdenden Versicherten treffen. Damit sorgt jede Versichertengeneration der PKV für sich selbst vor und belastet nicht die Generationen ihrer Kinder und Enkel. Je weiter der demografische Wandel voranschreitet, umso wichtiger wird es daher, noch mehr Menschen und Leistungen kapitalgedeckt abzusichern – für die Nachhaltigkeit des ganzen Systems.
Auch mit Blick auf die Versorgungsqualität spielt die PKV eine wichtige Rolle. PKV und GKV bilden zwar zwei getrennte Finanzierungssysteme für Gesundheitsleistungen, aber alle gesetzlich und privat versicherten Patienten greifen überwiegend auf ein gemeinsames Versorgungssystem aus Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken zurück. Somit besteht ein ständiger Wettbewerbsdruck, bei den Leistungen mit dem Konkurrenzsystem mitzuhalten. Die PKV übt somit nicht nur eine Schutzfunktion für die bereits erwähnte Therapiefreiheit aus. Dank des dualen Systems profitieren auch alle Versicherten in Deutschland von einem umfassenden und guten Zugang zu Innovationen. Denn die PKV kennt beispielsweise anders als die GKV keinen Erlaubnisvorbehalt für neue Leistungen im ambulanten Bereich. Dagegen muss in der Gesetzlichen Krankenversicherung erst der Gemeinsame Bundesausschuss eine Innovation als wirksam und wirtschaftlich anerkennen, damit die Kassen diese bezahlen. In der Privaten Krankenversicherung ist die Abrechnung dagegen sofort möglich, sobald eine Innovation neu auf den Markt kommt. Damit ermöglicht sie eine Einführung dieser Leistungen, bis die Gesetzliche Krankenversicherung sie ihren Versicherten später auch anbieten kann.

esanum: Gesetzlich Versicherte müssen mitunter erheblich länger auf einen Arzttermin als Privatpatienten warten. Wodurch ist dieser Unterschied gerechtfertigt?

Leienbach: Privatversicherte zahlen im ambulanten Bereich für viele medizinische Leistungen höhere Honorare als gesetzlich Versicherte. Dafür erhalten sie einen besseren Service – also etwa eine schnellere Terminvergabe, kürzere Wartezeiten in der Praxis, Samstags- oder Telefonsprechstunden. Das liegt daran, dass viele Ärzte inzwischen auf die zusätzlichen Einnahmen aus der Privaten Krankenversicherung angewiesen sind, um ihre Praxis wirtschaftlich betreiben zu können. Die rund elf Prozent an Privatversicherten in Deutschland tragen im Schnitt rund ein Viertel der Arzthonorare. Gäbe es sie nicht, gingen dem deutschen Gesundheitswesen elf Milliarden Euro pro Jahr verloren. Dieses zusätzliche Geld können Ärzte und Kliniken heute beispielsweise in Personal, moderne Geräte und Behandlungsmethoden investieren. Fakt ist aber auch: Notfälle werden in Deutschland immer umgehend behandelt – da fragt kein Arzt nach dem Versichertenstatus. Darüber hinaus darf bei der Debatte nicht vergessen werden, dass es trotz allen statistischen Unterschieden zwischen gesetzlich und privat Versicherten gerade das duale System ist, dass eine möglichst gute Versorgung bei kurzen Wartezeiten für alle Versicherten ermöglicht: Die durchschnittliche Wartezeit auf einen Facharzttermin beträgt für gesetzlich Versicherte in Deutschland rund 16 Tage. Im Einheitssystem Großbritannien sind es 18 Wochen und in den Niederlanden – seit 2006 ebenfalls ein Einheitssystem – sogar bis zu 6 Monate. Übrigens können auch gesetzlich Versicherte von einem besseren Service beim Arztbesuch profitieren: Unsere Mitgliedsunternehmen bieten eine Vielzahl von Zusatzversicherungen an, mit denen man sich im ambulanten Bereich oder Krankenhaus die Vorteile eines Privatpatienten sichern kann.

esanum: Inwieweit gilt die Annahme, das Privatpatienten sowohl in Krankenhäusern als auch bei Haus- und Fachärzten lieber gesehen werden?

Leienbach: Die wirtschaftliche Bedeutung der Privatpatienten für eine niedergelassene Arztpraxis habe ich ja bereits dargelegt. Unabhängig davon glaube ich aber nicht, dass Ärzte und Ärztinnen bestimmte Patienten aufgrund ihres Versicherungsstatus „lieber sehen“ als andere. Wie Sie wissen, üben Ärzte ihren Beruf laut Berufsordnung nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus – und trotz aller Debatten um die Finanzierung des Gesundheitswesens sollten wir ihnen dafür großen Respekt zollen.
Im stationären Bereich ergeben sich die Mehreinnahmen aus der PKV übrigens nicht durch höhere Honorare für die medizinische Behandlung – die Fallpauschalen in öffentlichen Krankenhäusern unterscheiden sich nicht nach dem Versichertenstatus – sondern durch die gesonderte Vergütung von Wahlleistungen für die Unterkunft im Ein- oder Zweibettzimmer und für die Chefarztbehandlung. Dies ist vor dem Hintergrund, dass viele Krankenhäuser derzeit rote Zahlen schreiben, eine wichtige Möglichkeit für Kliniken, durch mehr Komfort und Service zusätzliche Einnahmen zu erzielen.

esanum: Was würde sich für Ärzte bei einer Bürgerversicherung ändern?

Leienbach: Jedes Einheitssystem wäre in Deutschland mit starken Einschränkungen der beruflichen Handlungsfähigkeit der Ärzte verbunden. Denn die Beschränkungen der ärztlichen Entscheidungsfreiheit, die in der GKV bereits heute gelten, würden dann ohne Ausnahme für alle Patienten gelten. Gleichzeitig wäre jeglicher Wechsel in ein konkurrierendes System ausgeschlossen, wodurch es immer leichter für die Politik würde, künftig neue Einschränkungen durchzusetzen. So würde das Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV dann flächendeckend gelten. Die Entscheidung für eine angemessene Therapie dürfte sich dann nicht nur nach dem medizinisch Notwendigen richten – wie es heute bei Privatpatienten der Fall ist –, sondern unterläge immer stärker wirtschaftlichen Zwängen und politischen Vorgaben. Darüber hinaus würde das Gesundheitssystem jedes Jahr über 11 Milliarden Euro verlieren – etwa die Hälfte davon im ambulanten Bereich. Durchschnittlich rund 43.000 Euro würden jedem niedergelassenen Arzt in Deutschland im Vergleich zu heute als Netto-Umsatz fehlen, wenn es die PKV nicht mehr gäbe. Das entspricht in etwa dem Einkommen von ein bis zwei Sprechstundenhilfen. In einer Bürgerversicherung müsste man mit zahlreichen Praxisschließungen rechnen. Egal, ob Sie auf die Qualität der medizinischen Versorgung oder die finanzielle Vorsorge blicken: In einer Bürgerversicherung würde nichts besser – aber vieles deutlich schlechter.

Interview: Florian Weigang