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COVID-19 – die neue Berufskrankheit?

Aus der Sorge, sich im Job mit SARS-CoV-2 anzustecken, ist für viele Medizinerinnen und Mediziner inzwischen Wirklichkeit geworden. In tausenden Fällen ist COVID-19 bereits als Berufskrankheit anerkannt worden. esanum fragt dazu die Versicherungsexpertin Stefanie Palfner.

Aus der Sorge, sich im Job mit SARS-CoV-2 anzustecken, ist für viele Medizinerinnen und Mediziner inzwischen Wirklichkeit geworden. In tausenden Fällen ist COVID-19 bereits als Berufskrankheit anerkannt worden. esanum fragt dazu die Versicherungsexpertin Stefanie Palfner, Leiterin der Abteilung Versicherung und Leistungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

esanum: Frau Palfner, in fast 6.000 Fällen wurde zuletzt COVID-19 als Berufskrankheit anerkannt. Sind die Betroffenen alle Mediziner?

Palfner: In der Regel liegen uns Daten zur Dokumentation des Berufskrankheitengeschehens innerhalb eines Geschäftsjahres immer erst im Folgejahr vor. Abweichend davon sammeln wir aufgrund der aktuellen Situation Daten der Unfallversicherungsträger zum BK-Geschehen im Zusammenhang mit COVID-19. Für diese Sondererhebung werden die Daten uns nur aggregiert gemeldet. Eine Auswertung nach einzelnen Berufen ist deshalb leider nicht möglich.

esanum: Welche Kriterien werden für eine solche Anerkennung zugrunde gelegt?

Palfner: COVID-19 ist eine Infektionskrankheit, es kommt eine Anerkennung als Berufskrankheit nach der so genannten BK Nr. 3101 in Betracht. Diese umfasst "Infektionskrankheiten, wenn der oder die Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Umfangreiche Informationen zu dieser Berufskrankheit, aber auch zu allen anderen finden Interessierte in den entsprechenden Merkblättern auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA)   

esanum: Welche Voraussetzungen müssen für eine Anerkennung erfüllt sein?

Palfner: Die Voraussetzungen, die für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach BK-Nr. 3101 erfüllt sein müssen, sind noch einmal näher in einer Information beschrieben, die die DGUV zusammen mit der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) herausgegeben hat. Sie beschreibt für diesen Personenkreis, der besonders eng mit an COVID-19 Erkrankten in Kontakt kommt, darüber hinaus auch, wer versichert ist und wo und an wen sich Betroffene wenden können.

esanum: Rechnen Sie mit ansteigenden Fallzahlen für die Berufskrankheit COVID-19?

Palfner: Das ist durchaus denkbar. Es hängt zum einen von der zukünftigen Entwicklung des allgemeinen Infektionsgeschehens ab. Zum anderen treffen Verdachtsmeldungen häufig auch verzögert bei den Unfallversicherungsträgern ein. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Zahl der Meldungen an die Unfallversicherung sich in den nächsten Monaten weiter erhöhen wird. Belastbare Prognosen sind allerdings noch nicht möglich.

esanum: Werden auch weitere andere Berufsgruppen betroffen sein, z.B. Erzieherinnen oder Lehrerinnen?

Palfner: Abhängig von den Umständen kann im Einzelfall auch bei anderen Tätigkeiten außerhalb der Gesundheitsberufe ein Arbeitsunfall vorliegen. Ob bzw. bei welchen anderen Tätigkeiten Menschen der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt waren (4. Alternative der BK-Nr. 3101), beobachten die Unfallversicherungsträger. Bisher liegen dazu aber noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor.

esanum: Welche Folgen hat die Anerkennung einer berufsbedingten Erkrankung mit COVID-19 - für den Betroffenen, für die Versicherung?

Palfner: Wird eine Krankheit als Berufskrankheit anerkannt, übernehmen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, also Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, alle Kosten für die Heilbehandlung, für Rehamaßnahmen und zahlen gegebenenfalls auch eine Rente. Dies alles gilt auch bei anderen Arbeitsunfällen.

esanum: Ist die Anerkennung von COVID-19 als Berufskrankheit bei den im Gesundheitswesen Tätigen ein Selbstläufer oder werden auch Fälle abgelehnt?

Palfner: Nicht bei jeder Verdachtsanzeige sind die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach den gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Nach entsprechender Einzelfallprüfung können die zuständigen Unfallversicherungsträger auch zu dem Schluss kommen, dass keine Berufskrankheit nach Ziffer 3101 vorliegt.

esanum: Wer muss im Zweifel den Beweis erbringen, dass die Infektion in der beruflichen Tätigkeit stattfand?

Palfner: Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind zum "Amtsermittlungsprinzip" verpflichtet und prüfen daher bei jeder eingehenden Verdachtsanzeige, ob die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit vorliegen oder nicht.