Während Problemen wie regelmäßiger Preisinstabilität normalerweise mit mathematischen Modellen und systemischen Theorien auf den Leib gerückt wird, gingen die Autoren einer jüngst in Nature veröffentlichten Studie (DOI:10.1038/srep11206) ganz anders an das Problem heran. Sie machten sich daran den Faktor zu ergründen, den der berühmte Ökonom John Maynard Keynes als “animal spirits” bezeichnete, den irrationalen und unabgewägten Drang zur Handlung. Konkret untersuchten sie, welchen Einfluss erhöhte Spiegel der Stresshormone Cortisol und Testosteron auf unser Entscheidungsverhalten haben.
Irrationales und riskantes Verhalten trägt laut den Studienautoren wesentlich zur Entstehung von Instabilitäten auf den Börsenmärkten bei. Wenn man, so der Gedanke hinter dem Versuchsaufbau, eine Verbindung zwischen den beiden Hormonen und der Risikobereitschaft herstellen könnte, so ließe sich daraus auf eine den Markt destabilisierende Wirkung von Cortisol und Testosteron zurückschließen.
Letzteres Hormon wird mit hohem Selbstbewusstsein in Wettbewerbssituationen in Verbindung gebracht, Testosteronspiegel steigen als Reaktion auf Erfolge an. Belastungen einstellen soll. Naheliegend ist also die Vermutung, dass beide eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung, in einem so kompetitiven und stressigen Umfeld wie einem Börsenmarkt spielen.
Um ihrer Wirkung genauer auf den Grund zu gehen, ermittelten die Wissenschaftler in einem ersten Teil des Experiments die Konzentrationen beider Hormone im Speichel der Probanden und stellten fest, dass erhöhte Cortisolspiegel mit einem risikoaffineren Verhalten im Kontext eines Spiels einhergingen, bei dem die Probanden für echtes Geld mit Anlagen handeln sollten.
In einem zweiten Teil des Experiments injizierten sie einem Teil der männlichen Probanden Cortisol und Testosteron, während sie einer zweiten Gruppe Placebo verabreichten, um zu überprüfen, ob sie das Verhalten der simulierten Börsenmakler beeinflussen konnten. Und tatsächlich stellten die Forscher in diesem Fall fest, dass die exogene Gabe beider Hormone zu einer signifikant erhöhten Bereitschaft zum Kauf riskanter Anlagen und als Folge zu größeren Preisschwankungen in der Simulation führten.
Weitere Differenzierung der Ergebnisse führte zu der Annahme, dass Testosteron das Risikoverhalten indirekt über eine optimistischere Einschätzung zukünftiger Preisentwicklungen beeinflusst, während Kortison einen direkten Einfluss hat.
Besonders interessant ist auch, dass im ersten Teil des Experiments ein ausgeprägter Geschlechterunterschied bei der Korrelation von Cortisolspiegel und Risikobereitschaft gefunden wurde. Bei Frauen standen höhere Speichelkonzentrationen nicht mit einer höheren Risikobereitschaft in Verbindung.
Zwar lassen sich die Ergebnisse aufgrund des stark vereinfachten Versuchsaufbaus und der Tatsache, dass hier nur die Kurzzeitwirkungen erhöhter Hormonkonzentrationen ermittelt wurden, nicht ohne weiteres auf eine so komplizierte Situation wie den Börsenmarkt übertragen. So stellten andere Studien z. B. Fest, dass dauerhaft erhöhte Cortisolspiegel im Gegenteil eher zur Vermeidung von Risiken führt. Dennoch stellen sie wertvolle Hinweise auf die Rolle beider Hormone bei der Entscheidungsfindung dar und liefern Anlass für weitergehende Untersuchungen in diese Richtung.
Text: esanum /wt